Churchill’s last stand


Die Affäre um den amerikanischen Universitätsprofessor Ward Churchill zeigt, wie giftig das Klima in den USA mittlerweile ist, wenn es um die Diskussion der US-Außenpolitik geht. Churchill ist (noch) Professor für Ethnologie an der Universität Colorado, die Leitung dieses Lehrstuhl hat er jetzt aber niederlegen müssen.

Grund: Churchills wiederholte Kritik an der US-Administration, vor allem ein Essay, der unmittelbar nach dem 11. September 2001 veröffentlicht wurde, in dem er die Anschläge als direkte Konsequenz der amerikanischen Außenpolitik interpretierte.

Der Text ist eine Provokation. Die steckt schon im Untertitel: „On the Justice of Roosting Chickens“ – eine Anspielung auf ein Zitat von Malcolm X. Der kommentierte die Ermordung John F. Kennedys 1963 mit dem Satz, das sei vor allem ein Fall von „chickens coming home to roost“.

Churchills Behauptung: Wer immer wieder Krieg in andere Länder exportiere und dabei Opfer unter der Zivilbevölkerung als Kollateralschaden interpretiere, dürfe sich nicht wundern, wenn sich diese Logik irgendwann einmal gegen ihn selbst wende.

Churchill geht sogar noch weiter: Der Begriff „Kollateralschaden“ impliziere, dass es sich bei diesen Opfern um Unschuldige handle. Für einen Großteil der Opfer im Pentagon und in den Twin Towers – die Banker, die Finanzspekulanten und Investmentmanager – könne das nicht wirklich gelten, schließlich hätten sie aktiv die Kriegspolitik der USA gefördert und von ihr profitiert.

They formed a technocratic corps at the very heart of America’s global financial empire – the „mighty engine of profit“ to which the military dimension of U.S. policy has always been enslaved – and they did so both willingly and knowingly.

Von hier aus schlenkert er dann weiter zum obligatorischen Nazi-Vergleich, ohne den es ein US-Bürgerrechtler wohl nicht machen kann:

If there was a better, more effective, or in fact any other way of visiting some penalty befitting their participation upon the little Eichmanns inhabiting the sterile sanctuary of the twin towers, I’d really be interested in hearing about it.

Dass Churchill hier das Attentat gut zu heißen scheint – was er selbst inzwischen energisch dementiert – sorgt für Proteste, noch mehr die Bezeichnung der Insassen der Türme als „little Eichmanns“. Allerdings hat es bis zum Aufschrei relativ lange gedauert: Der Artikel ist immerhin über drei Jahre alt, und wäre ohne heftiges Nachkarten des Bush-freundlichen Senders FOX wohl kaum an die Öffentlichkeit gekommen.

Churchills Kritikern kommt nun freilich zupaß, dass er sich scheinbar eine indianische Abstammung zurechtgeflunkert hat. Seine eigene Aussagen dazu sind widersprüchlich. Die maßgeblichen indianischen Organisationen sind untereinander zutiefst zerstritten, was von dort zum Thema gesagt wird, können sowohl Gegner als auch Befürworter Churchills auf ihre Fahnen schreiben.

An der Universität Colorado wird nun darüber diskutiert, ob Churchill auch seine Professur verlieren könnte. Argumentiert wird in der Diskussion kaum noch: Beide Seiten verschanzen sich hinter der hohepriesterlichen Attitüde, die in Amerika gerne bei Debatten aufgesetzt wird.

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