Das Schöne an einer Reise sind die kleinen Überraschungen danach. Da finde ich gestern ein Paket aus München im Treppenhaus, und drin sind zwei Ausgaben einer Dissertation aus den 60er Jahren, über Das Kaufmannsbuch des Johan Blasi (1329 – 1337).
Ein großer Teil dieser Dissertation, geschrieben von einem Dietrich Hauck, besteht einfach aus dem Nachdruck dieses Kaufmannsbuches, und das ist nichts anderes als ein Buchhaltungs- und Vermögensverzeichnis eines Kaufmanns aus dem Marseille des 14. Jahrhunderts. Ich liebe solche alten Listen ja, weil man die Nase direkt in den Alltag wildfremder Menschen stecken kann, und dieses Buch hier kann ich stundenlang durchschmökern.
Die Inventare selbst sind zwar meistens im provenzalischen Dialekt abgefaßt und darum nicht grade einfach zu lesen. Aber der Kommentar von Hauck schlägt einen weiten Bogen durch die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte von Marseille, und da läßt man sich gerne auf einen kleinen Stadtrundgang ein. Zumal wenn man dabei so interessante Personen kennenlernt wie Peire Austria, ein schillernder Großspekulant, „qui ne néglige aucune source d’activités et de profite“ (und auf dessen Geschäftstüchtigkeit der weniger erfolgreiche Blasi wohl recht neidisch war, immerhin kommentiert er zwei Deals mit Austria sinngemäß: „mög’s ihm schlecht bekommen“). Ganz interessant auch das Kapitel über Blasis Kreditgeschäfte, wo man lernen kann, wie das christliche Gebot, keinen Zins zu nehmen, munter unterlaufen wurde.
Und so werd ich dann das trübe Wetter draußen noch ein paar Augenblicke ignorieren und mich stattdessen auf den provenzalischen Märkten herumtreiben, wo Tuche, Olivenöl und Mandeln gehandelt werden.
Schreiben Sie einen Kommentar