Die ersten Blogverzeichnisse und -Suchmaschinen wie Technorati waren einfach dafür gedacht, Blogs und ihre Inhalte zu finden. Mittlerweile scheint es eher darum zu gehen, einem die Zeit zu sparen, das alles zu lesen. Oder wie soll man sonst das Konzept von TailRankverstehen?
Das Aufspüren von Blogs ist ja kein Problem mehr, mittlerweile schreibt jeder über alles, aber das Filtern von Spreu und Weizen wird dadurch nicht leichter. TailRank will nach eigenem Bekunden die Möglichkeit geben, „zu wissen, wer was über ein Thema schreibt“ und „durch die stattfindenden Diskussionen zu navigieren“. „Clustering“ und „threading“ nennt sich das, wobei als Raster für die roten Fäden, die durch die Diskussionen gelegt werden, die persönlichen Bookmarks dienen, die man als OPML-Datei in ein eigenes Konto hochladen kann: Die Websites, die sich darin befinden, sind diejenigen, denen ich schon mal eine gewisse Autorität zugestehe – das ist zumindest die Grundidee. (Tja, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber bei mir dümpeln da auch einige Karteileichen rum …)
Auf Basis der OPML-Daten will das System dann über Kreuz- und Querbezüge zu den Bookmarks anderer Nutzer, über den Austausch von Empfehlungen untereinander und „various other factors“ ein persönliches Profil erstellen und damit bessere, oder für mich relevantere Suchergebnisse ermitteln – so versteh ich es jedenfalls. Diese „Personalisierung“ der Meme-Suche soll dann auch das wichtigste Unterscheidungskriterium zu verwandten Anbietern sein – TailRank-Macher Kevin Burton nennt Digg (wo’s aber weniger um Blogs als um Stories geht), del.icio.us oder Daypop.
Laut Burton ist TailRank kein Index, sondern eine Meme-Maschine – Meme ist das schicke neue Wort für das Rauschen in der Blogsphäre, eingeführt wohl deshalb, weil buzz zu abfällig klingt und zeitgeist zu schwer auszusprechen ist.
Je mehr’s rauscht, desto mehr Meme: Das ist die Übertragung des Flurfunks in die virtuelle Sphäre. Nun kann man auf dem Flur sicher ein paar nette Geschichten aufschnappen, aber da wird auch ziemlich viel Käse geredet. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass das Geplapper in der Blogsphäre in der Quersumme nicht weit über den Soundtrack der Stammtische hinausgeht, dann muß man sich nur die Debatten über die Ereignisse in Paris anschauen – der amerikanische Refrain dazu ging: „What’s French for schadenfreude?“
Wie einem die Hitlisten von TailRank dabei helfen können, aus dem allgemeinen Geräusch ein paar klare Töne rauszufiltern, habe ich bisher noch nicht rausgebekommen. Ich hab’s am Wochenende mal ausprobiert, auf der Suche nach ein paar Politblogs aber kaum Relevantes, dafür um so mehr Gruseliges und Abgründiges gefunden. Wenn man nach TailRank geht, wird die politische Meme in den USA ausschließlich von schwulenfeindlichen Alttestamentlern und stockreaktionären Franzosenfeinden beherrscht zu werden; andere Resultate waren nicht zu kriegen. Demoskopisch mag da was dran sein, ist aber nicht wirklich das, was ich lesen will. Warum Blogs über Umerziehungskurse für renitente homosexuelle Teenies meinem Profil entsprechen sollen, ist mir jedenfalls ein Rätsel. Vielleicht ändert sich das, wenn der Service mehr Nutzer bekommt und die Profile pluralistischer werden. Vielleicht ist TailRank auch schlauer als ich denke und hat mich da als verkappten NeoCon geoutet, wer weiß.
Mich spricht das Grundkonzept allerdings auch nicht wirklich an. Wenn es nur darum geht, in ein Grundrauschen mit einzustimmen, mögen solche Hitlisten genügen. Aber wenn es darum geht, die Inhalte jenseits des Mainstream zu finden, wird man, glaube ich, nicht weit damit kommen. Wenn ich wissen will, was die Blogs, die ich schätze, schreiben, schaue ich sie mir eben einfach an, da findet man dann schon genug weitere Navigationspunkte.
Und dieses selbstverliebte Kreisen der Blogsphäre um die eigene Achse wird auch ein bißchen zu viel.
Anstatt ständig durch die Meme zu rauschen, reicht es manchmal auch einfach, selbst ein bißchen nachzudenken. Ich hab nichts gegen Suchmaschinen und Verzeichnisse für Blogs, aber das altmodische Konzept hinter Technorati, auch wenn es zuletzt eher schlechte Presse kriegt, reicht da besser hin als die ganzen schicken Feed-Verwerter, Zeitgeist-Zapper und Meme-Maschinen, die mehr versprechen, als sie halten können.
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