The Gone Wait heißt eine Ausstellung, die zur Zeit im Rahmen der Berlin Biennale stattfindet, und das ist meines Wissens nicht nur das erste Mal, dass ein Albumtitel von Jandek im Namen einer Ausstellung auftaucht, sondern auch das erste Mal, dass Aspekte von Jandeks Werk außerhalb in einem etablierteren Kunstzusammenhang präsentiert werden.
Leider hab ich von der Veranstaltung zu spät erfahren, zumal sie auch in der sonst gut informierten Jandek-Mailingliste nur am Rande mal erwähnt wurde, aber so ist das eben bei einem Künstler, dessen Werk in nahezu völliger Abwesenheit und Autonomie von den üblichen Diskurskanälen produziert wird.
Es geht in der Ausstellung aber auch nur am Rande um Jandeks Musik:
Die Gruppenausstellung The Gone Wait präsentiert Arbeiten von AutorInnen, FilmemacherInnen, MusikerInnen und bildenden KünstlerInnen, die bewusst oder unbewusst, äußeres oder inneres Verschwinden und einen Rückzug vom Realen thematisieren.
Exponate kommen von so unterschiedlichen Leuten wie Johnny Depp, John Frusciante und Rainald Goetz.
Der texanische Musiker Jandek ist bis vor einigen Monaten nie live aufgetreten und hat generell jedwede Form der Öffentlichkeit gemieden. Seine Absenz und sein Verschwinden dreht er in der Gestaltung seiner Plattencover um, die er seit mehr als 25 Jahren auf seinem eigenen Label „corwood industries“ veröffentlicht: Auf jeder der mittlerweile mehr als 40 Platten ist in schemenhafter und defensiver Selbstinszenierung die eigene Person in verschiedenen Weisen präsent.
Das ist, wenn man es wörtlich nimmt, zwar nicht ganz korrekt – Jandek ist nur auf etwas mehr als der Hälfte der Cover zu sehen (und kurioserweise ausgerechnet auf dem Cover des titelgebenden Albums The Gone Wait nicht). Aber es ist schon eine interessante Frage, ob und wie auch die Cover, auf denen Jandek nicht abgebildet ist, zur Inszenierung des Spiels um An- und Abwesenheit beitragen.
Ich habe die Cover gesehen, lange bevor ich die erste Musik hörte (alle sind abgebildet in der Diskographie auf Seth Tisues maßgeblicher Jandek-Website). Und ich war auf Anhieb neugierig: Ein Kaleidoskop scheinbar wahllos zusammengestellter Porträts und Schnappschüsse. Es gibt „schöne“ Bilder im konventionellen Sinn, es gibt „schlechte“ oder „verwackelte“ Bilder (und mit Shadow Of Leaves sogar mindestens eines, das mit Photoshop bearbeitet wurde). Manche Motive erinnern an klassische Rock-Ikonographien (Follow Your Footsteps, The Living End), andere – vor allem die „amateurhaften“ – scheinen jeglichen gestalterischen Willen vermissen zu lassen (Blue Corpse, On The Way, Twelfth Apostle). Die spartanische Ausstattung erinnert an die Billig-Layouts kleiner Blues- oder Folk-Label, an manche Do-It-Yourself-Designs der Punk-Ära, aber auch an die bewußte Anonymität der Factory-Layouts, freilich ohne dass man im einen oder anderen Fall von einer bewußten Bezugnahme sprechen könnte.
Inzwischen kenne ich die Musik, und muss sagen, ich habe selten ein Werk gehört, wo Töne und Bilder tatsächlich so perfekt zusammenpassen. Oder sehe ich das nur so, weil ich mir mein Image von Jandek so zurechtgelegt habe und alles in diesem Rahmen einfüge? Denn auch die Musik scheint Konventionen nur als vage Blaupause zu kennen, und sie gibt keinen Anhaltspunkt dafür, ob hier jemand einem großen konzeptionellen Bogen schlägt oder nur ein paar geisterhafte Skizzen in die Luft wirft. Aber gerade diese Unbestimmtheit verleiht ihr eine bizarre und erratische Größe.
Es wäre schön, das auf der Ausstellung überprüfen zu können, aber dazu werde ich leider die Zeit nicht mehr haben. Ich hoffe mal, dass sich irgendwo im Web ein paar Takte dazu finden lassen.
Update: Im Blog von Martin gibt es eine kleine Besprechung der Ausstellung.
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