Matteo Scarabelli ist so eine Art moderner Seume: Seit September radelt der Italiener ums Mittelmeer und bloggt täglich seine Erlebnisse im Corriere della Sera. Mittlerweile ist er in Algerien angekommen, Weihnachten will er Tunis erreichen.
Ich hab ja immer was übrig für solche archaischen, altmodischen Reiseprojekte. Nicht wegen der sportlichen Extremleistung (die scheint Scarabelli auch nicht so ernst zu nehmen), sondern weil ich den Mut sympathisch finde, sich den Dingen herum unmittelbar auszusetzen. Es hat einerseits etwas Klösterliches und Selbstbezogenes, denn wer geht oder mit dem Rad fährt, wählt bewußt ein anderes Tempo als die übrige Welt. Andererseits ist es nicht wirklich eremitisch, denn man ist ja immer noch nahe genug an den Dingen dran. Man sieht mehr, wenn es langsamer geht, man bleibt eher stehen, wenn man keinen Käfig aus Blech um sich herum hat, man spürt Wind und Wetter und hört die Leute ringsherum reden, applaudieren oder fluchen.
Und dann noch eine Tour ums Mittelmeer: Wie viele Regionen gibt es auf der Welt, in der unterschiedliche Kulturen so nah beieinander sitzen. Bei uns gibt es alle Nase lang die lästige Diskussion, ob so etwas wie Multikulturalität überhaupt möglich ist: Am Mittelmeer ist sie längst Praxis, eine, die vielleicht nicht immer funktioniert und die auch immer wieder zwischen Phasen des Auseinanderfallens und Aufeinanderzubewegens kennt, aber die unzählige und faszinierende kulturelle und natürliche Vermischungen, Mashups und Fusionen produziert hat. Scarabelli zitiert in seinem Blog ein paar Sätze aus dem schönsten und besten Mittelmeer-Buch, dem von Fernand Braudel, eines der Bücher, die eine lebenslange Abhängigkeit auslösen können:
Was ist das Mittelmeer? Tausend und eine Sache zugleich. Keine Landschaft, sondern unzählige Landschaften. Kein Meer, sondern ein Nebeneinander von Meeren. Keine Zivilisation, sondern eine Vielzahl von Zivilisationen, eine reiht sich an die andere.
Aber man kann dieses Faszinosum wirklich nur erleben, wenn man sich die Zeit nimmt, es langsam zu bereisen. Keine Frage: Ich wäre jetzt gern an Scarabellis Stelle.
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