Veronica Ferres hat die Hauptrolle in Wilhelm Genazinos Stück Courasche abgesagt. Das ist weniger überraschend als die Tatsache, dass sie überhaupt eine Mitwirkung daran in Erwägung gezogen hatte. Wer weiß, ob sie überhaupt vorher schon mal was von Genazino gelesen hatte, oder nicht einfach von ihrem Management dazu überredet wurde, mal was von einem zeitgenössischen Autor zu probieren: Hofmannsthal haste schon gemacht, machste jetzt halt mal was Modernes. Der Mann ist Büchner-Preisträger, wird man ihr gesagt haben, das bringt Credibility-Punkte im Feuilleton, und Büchner-Preis ist solide genug, um nicht als zu avantgardistisch verdächtigt zu werden.
Aber die Ferres mag den Text nicht. Die Figur decke sich weder mit ihren Vorstellungen von der Rolle noch mit ihrer künstlerischen Integrität, läßt das Management wissen, und Ferres selber legt noch mal nach: Dialoge „weit unter der Gürtellinie“ hätte sie in Genazinos Text gefunden, und sie sei zwar bereit, „über Grenzen zu gehen – aber nicht nach Vulgäria“. Vermutlich hat sie also gedacht, so eine schicke Irma la Douce geben zu können, eine Bordellfürstin in bunten Gewändern, so wie die Buhlschaft der Salzburger Inszenierung. Aber wenn sie schon mal einen Text von Genazino gelesen (oder die Bochumer Inszenierung von Lieber Gott mach mich blind gesehen) hätte, müsste sie gemerkt haben, dass es vermutlich auch im Courasche-Text nicht darum geht, die Vulgarität des Alterns in ein nett-frivoles Feierabend-Cabaret umzudeuten.
Genazino findet das Verhalten der Ferres nun „töricht“, und natürlich kann man seine Verärgerung verstehen. Andererseits wird er vielleicht zufrieden darüber sein, dass sein Text offenbar doch immerhin noch ein bisschen Verstörung auslösen kann: Wer sich getroffen fühlt, ist wohl auch gemeint gewesen.
(Nebenbei: Eine schöne Etüde über alternde Melancholien, Kaffee und Kuchen hat Genazino in der Wochenendausgabe der NZZ ausgeführt.)
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