Der Fußballskandal in Italien wird auf die alleritalienischste Weise beigelegt, nämlich bei „Tarallucci und Wein“. „Finire a tarallucci e vino“, so nennt man das in Italien, wenn eine Sache mit Pauken und Trompeten, viel Ehrgeiz und lauten Willensbekundungen angegangen wird, bis allen Beteiligten die Luft und die Luft ausgeht und alle dann doch mit einem blauen Auge davon kommen. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.
Tarallucci sind ein süditalienisches Knabbergebäck: kleine Kringel, meist salzig, manchmal gewürzt, und man findet sie schon mal in kleinen Schälchen auf dem Tresen einer Bar. Die chicere Variante dieser Redensart wäre wohl champagne e mozzarella di bufala. Man könnte nun meinen, die Fähigkeit, sich zusammenzusetzen und über einem Glas Wein einen (wie auch immer verwässerten) Kompromiss zu finden, stehe zumindest für eine Art Streitkultur. Aber das ist natürlich nur halb richtig, weil nicht alle zu der gemütlichen Runde eingeladen werden.
Bevor man allerdings zu laut lästert über die Abmilderung der Strafen, muss man auch bedenken, welche Konsequenzen die Strafen gehabt hätten, wären sie so durchgeführt worden wie beabsichtigt. In einer Zeit der Fernsehrechte und Werbeeinnahmen ist eine Sportveranstaltung wie die Serie A ein ausgesprochen komplizierter Organismus, und die Verbannung aller vier Clubs in die zweite Liga hätte darum auch tatsächlich Konsequenzen für alle Clubs gehabt. Die Serie A und B wären, vor allem aufgrund der Punktabzüge, für ein, zwei Jahre ein Muster mit bizarrem sportlichem Wert gewesen. Abgesehen davon, dass die unklare Situation die Verhandlungen von Vereinen, Spielern, Fernsehsendern und Sponsoren nicht gerade vereinfacht hat. (Um ein ähnliches Beispiel zu nennen, das vermutlich auch demnächst bei Baguette und Wein gelöst wird: Die Tour de France hat ja, was die Zuschauerresonanz und das Sponsoreninteresse angeht, nicht wirklich profitiert hat von der Verbannung Ullrichs und Bassos.)
Der Corriere della Sera jedenfalls bewertet die Berufungsurteile erstaunlich gelassen: Das Urteil sei Ausdruck eines Pragmatismus, der zwar einerseits die Strafwürdigkeit der Manipulationen bestätige und die verantwortlichen Personen an den Rand des Systems verbanne, andererseits wenigstens wieder einen Handlungsspielraum eröffne, in dem über Fussball nicht mehr nur geredet, sondern auch wieder Fussball gespielt werden könne. Bei allem politischen Strippenziehen im Hintergrund mag das sogar auch die eigentliche Absicht der Sportrichter gewesen sein.
Trotzdem ist die Zusammensetzung der Urteile mehr als bizarr, weil sie so uneinheitlich ist. Warum Juve in die 2. Liga und Milan nicht? Dass in den Vorständen der betroffenen Clubs weiter gemault wird, ist darum nur verständlich: Das wirkt ja so, als ob man mit mehr Einsatz in der italienischen Disziplin des vittimismo noch mehr rausschlagen könnte.
Vermutlich schauen die anderen Clubs in Europa weniger mit Ekel auf die Ereignisse in Italien, als mit Interesse: Wie weit kann man die Dinge in einer durchkommerzialisierten Szene treiben, ohne allzu dramatische Konsequenzen befürchten zu müssen? Der Skandal mag ein paar typisch italienische Spitzen haben und in seiner Tragweite anderswo noch nicht vorgekommen sein. Aber auch dort nimmt die Tendenz zu, solche Geschichten bei einem Glas Wein gemütlich auszusitzen.
Noch jemand ein paar Tarallucci?
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