Matera
Nicht nur in Köln: Auch in Italien will die UNESCO in Zukunft genauer hinschauen, wie man es mit dem Denkmalschutz der als Weltkulturerbe ausgewiesenen Orte hält. Davon gibt es 41 in Italien, so viele wie in keinem anderen Land der Welt, und die meisten davon schreiben ihre Auszeichnung auch stolz in die Werbeprospekte. Aus gutem Grund, wenn die Behauptung der Repubblica stimmt, dass man damit den Zustrom von Touristen um 30 Prozent steigern kann.
Ob diese Zahl nun wirklich stichhaltig ist, sei mal dahingestellt: Schaden tut das UNESCO-Label dem Fremdenverkehr sicher nicht. Wo viele Fremde verkehren, wachsen natürlich auch die Begehrlichkeiten der lokalen Wirtschaft, und Tourismus und Denkmalschutz sind zwei unsichere Bettgenossen. Und so hat Italien nicht nur die meisten world heritage sites, sondern inzwischen auch mehr Abmahnungen als irgend ein anderes Land: Die UNESCO hält einige Entwicklungen für bedenklich genug, um ein paar medienwirksame Verwarnungen auszusprechen, auch in Richtung einiger Kommunen und Regionen, die ich gut kenne.
San Gimignano zum Beispiel, das „Manhattan des Mittelalters“, wo man in der Altstadt bisweilen tatsächlich das Gefühl haben kann, so vielen Menschen über den Weg zu laufen wie im echten Manhattan. Das echte Manhattan hat freilich keine mittelalterliche Altstadt mit engen Gassen und echten Sodoma-Fresken an den Wänden. Der Bürgermeister von San Gimignano kann die Aufregung allerdings nicht verstehen: Eigentlich könne man nur an Ostern von echtem Rummel sprechen, außerdem habe die UNESCO auch nicht reagiert, als die Kommune vor ein paar Jahren den Bau eines Hotels in einem historischen Gebäude verhindern wollte.
Es sind aber nicht nur die unmittelbaren Konsequenzen des Massentourismus, die von der UNESCO gerügt werden. Vor allem Bauvorhaben stehen ganz oben auf der Liste der bedrohlichen Faktoren. Und das mit gutem Grund, denn unter der Berlusconi-Administration hat die Immobilienspekulation einen deutlichen Aufschwung erhalten. Die Folgen kann man zum Beispiel an der Amalfiküste erkennen, ohne Zweifel eine der schönsten und spektakulärsten Küstenlandschaften in Europa. Das wissen auch viele Immobilienspekulanten, und trotz strenger Richtlinien finden sich immer noch Mittel und Wege, Grundstücke zu erschließen und mit Villen, Ferienwohnungen und Hotels einzubetonieren.
Eine andere Landschaft von ganz eigenem Charakter ist das Val d’Orcia: Hier ist die Toskana so toskanisch wie auf den Postkarten, und einer der idyllischsten Flecken ist das Dörfchen Monticchiello, das zwischen Pienza und Montepulciano liegt. In den vergangenen Jahren röhrten da die Baumaschinen: Ein Neubauviertel wurde angelegt, angeblich für den jüngeren Teil der Bevölkerung Monticchiellos, aber so großzügig geplant, dass vermutlich erstaunlich viele Grundstücke übrigbleiben werden, die man auch an Auswärtige verkaufen könnte.
Matera, ganz im Süden des Stiefels, wird gemahnt, weil dort in sensibler Nähe zu den legendären (und mit reichlicher Unterstützung von UNESCO und EU restaurierten) Sassi ein Parkplatz angelegt werden soll, und auch die Liparischen Inseln und die Cinque Terre müssen sich Kritik anhören.
Die Verantwortlichen in den betroffenen Kommunen reagieren meist defensiv, schließlich wollen sie es sich mit der UNESCO nicht unnötig verscherzen. (In Köln hat man da ja am Anfang geglaubt, sich mehr Arroganz leisten zu können.) Man versucht, die Konsequenzen baulicher oder landschaftlicher Veränderungen herunterzuspielen oder stützt sich auf wirtschaftliche Argumente. Die sind natürlich auch nicht ganz unberechtigt: Viele der betroffenen Orte liegen im ländlichen Raum, ausser Tourismus gibt es da nicht viel. Nicht ohne Grund ist Monticchiello zum Beispiel auch Hauptort einer künstlerischen Bewegung, die sich teatro povero nennt und in einer Zeit entstand, als die Menschen aus schierer wirtschaftlicher Not die Einsamkeit hier eher flohen als sich mit Reisebussen hindurch karren zu lassen.
Und die Belebung des Fremdenverkehrs ist ja auch einer der zentralen Argumente, mit denen die UNESCO den Regionen die Wahrung ihrer Kultur- und Naturdenkmäler plausibel machen will. (Aus diesem Grund nimmt sie es oft auch nicht so genau, wenn restaurierende Maßnahmen zuviel des Guten leisten, wie man zum Beispiel in San Gimignano sehen kann: Da ist die Hauptstrasse zu einem Souvenirshop mit mittelalterlichem Flair disneyfiziert worden.)
Wie schwierig es ist, das Bewahrenswerte an einer Landschaft zu definieren und in Einklang mit den Interessen der Menschen, die darin leben, zu bringen, darüber hat ja erst David Blackbourn im Zusammenhang mit den Wasserbaumaßnahmen in Deutschland geschrieben. In Italien gibt es sicher eine unrühmliche Tradition der beschleunigten Aufopferung von Kultur und Natur für ökonomische oder persönliche Vorhaben, und Kommunalpolitiker reagieren besonders gerne beleidigt, wenn Kritik von außen herangetragen wird. Andererseits ist die Diskussion über diese Themen in den letzten Jahren durchaus intensiver geworden, und nicht jedes Wolkenkuckucksheim läßt sich noch so einfach in die Gegend betonieren. Ich hoffe mal, dass die Intervention der UNESCO dazu führt, die Diskussion noch lebhafter zu führen.
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