Zu den amüsantesten Schmuckstücken von Montecatini Terme gehört die Funicolare, die Standseilbahn, die die moderne Unterstadt und die Kurviertel mit dem alten Dorfkern verbindet. Unvergeßlich der Abend, als wir mit einer Gruppe fröhlicher Nonnen talwärts fuhren, die ihre Höhenangst mit dem lauten Singen von O sole mio bekämpften.
Oben an der Bergstation gibt es ein Restaurant, und das heißt auch fünf Jahre nach 9/11 immer noch Windows On The World. In Italien hat man mit sowas kein Problem, in San Gimignano werden den amerikanischen Touristen die Zwillingstürme der Salvucci von den lokalen Fremdenführern auch immer noch als „unser World Trade Center“ angekündigt. Bei den Engländern, die sich auf der Aussichtsplattform neben dem Restaurant ablichten lassen, sorgt der Name auch eher für Amusement. Der örtliche Tourismusmanager würde Kritik vermutlich einfach mit dem Verweis auf einen Lokalbezug beantworten: Der New Yorker Star-Gastronom Sirio Maccioni stammt aus Montecatini und hat auch noch ein Haus an den Hängen, die die Standseilbahn hinauffährt. Angeblich gehörte er zu den Stammgästen im New Yorker Windows On The World, und wer weiß, vielleicht hat er die Benennung des Restaurants hier bei einem Heimatbesuch sogar selbst angeregt. Vom etwas schlecht gelaunten Kellner kann man das heute nicht herausbekommen.
Dass man hier oben einen der spektakulärsten Aussichtspunkte in der Toskana findet, hat schon Giuseppe Verdi seinerzeit pflichtschuldig in die Aufnahmegeräte der wartenden Lokalpresse diktiert. Ein paar Schritte weiter hat man ihm das an einer besonders schönen Stelle mit einer Gedenktafel gedankt, auf dem natürlich auch die Stellungnahme von damals in Stein gemeißelt wurde. Direkt oberhalb (also glücklicherweise im Rücken des Landschaftsbetrachters) befindet sich ein riesiger roter Betonkomplex, der mal als Hotel- oder Appartementanlage gedacht war und jetzt eine Spekulationsruine ist: Da summieren sich dann die Schönheit der Gegend und die Großspurigkeit einiger ihrer Bewohner aufs Allerfeinste.
So ganz unpassend ist der Name des Restaurants nicht. Man schaut wirklich in eine kleine Welt von hier oben. Die Toskana ist im Norden fast so etwas wie eine Miniaturausgabe von Italien insgesamt, alle Landschaftsformationen sind hier noch mal auf engem Raum versammelt, die hohen Berge des Appenin laufen über sanfte Hügelkuppen zum Flachland zwischen Florenz und Lucca aus, und ganz in der Ferne ahnt man schon das Meer. Nachts kann man sich tatsächlich der Illusion hingeben, hoch über einer Großstadt zu sitzen, so eng rücken die Lichter der dicht besiedelten Ebene zwischen Florenz und Lucca zusammen. Nur die Bergrücken des Montalbano und des Monte Pisano stehen schwarz und einsam in der Landschaft. Es ist kurz vor Vollmond, die Nacht ist hell, es riecht nach wildem Thymian und Minze, also nehmen wir bergab nicht die Seilbahn, sondern einen der Wege, die durch die Olivenhaine und an Privatvillen vorbei – möglicherweise auch der von Don Sirio – ins Tal führen. Müssen die Nonnen halt mal ohne uns singen.
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