Haus des Buches


House of Free Creativity

Um als Russe etwas über die Architektur in Entenhausen zu erfahren, muss ich keine Doktorarbeit lesen. Es reicht, sich die Häuser der neureichen Russen anzusehen.

– Viktor Kriwulin, ca. 2001

Oder die der Potentaten in den Nachfolgerepubliken. Das hier ist das Haus der freien Kreativität, das der turkmenische Staatschef Saparmurad Nijasow in der Hauptstadt Ashgabat hat bauen lassen. Nijasow sieht sich selbst als Dichter und Philosoph, einer seiner Bände ist sogar schon in die Erdumlaufbahn geschossen worden. (Wenn dem mal jemand von Arno Schmidts düsterem Dichter-Elysium erzählen würde, in dem jeder so lange ausharren muss, „wie sein Name noch akustisch oder optisch auf Erden oben erscheint“.)

Das mit der freien Kreativität ist natürlich nicht ernst zu nehmen: Neben der kuriosen Ästhetik hat das Gebäude auch eine politische Funktion, nämlich die Mitarbeiter der staatlichen (und einzig sanktionierten) Massenmedien unter einem Dach zusammen zu bringen und damit besser kontrollieren zu können. Die technische Ausstattung ist angeblich vom Feinsten, wofür nicht zuletzt der französische Baukonzern Bouygues gesorgt hat, der das Gebäude errichtet hat.

Was ziemlich kurios ist: In Frankreich ist Bouygues auch dick in der Mobiltelefonie. Der turkmenische Staatschef dagegen hat es eigentlich nicht so mit moderner Technologie, Internet-Zugänge sind streng reglementiert und Musik darf nur live gespielt werden. Man sieht’s ja auch am Gebäude selbst: Da hat jemand noch ein echtes Vertrauen in die Macht des Mediums Buch, wenn’s nicht so zynisch wäre, könnte man das fast rührend finden.

Das Gebäude ist natürlich auch deswegen so bizarr, weil es sich da um eine sehr unironische Architektur handelt. Ein Haus, das nach außen genau das darstellt, was es sein soll: So was gibt’s sonst wirklich nur in Entenhausen oder Las Vegas. Das Pendant dazu sind die kuriosen futuristischen Gebäude in anderen postsowjetischen Republiken, die Frédéric Chaubin fotografiert hat: Die sind so völlig abgehoben von jedem konkreten Bezug, dass es schon wieder was Schönes hat.

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