Ich hab es. Mein neues MacBook. Gestern kam es an, und jetzt steht es auf dem Sideboard, iPod eingestöpselt, und ich lasse es mit dem Mozart-Requiem warmlaufen: „Ad te omnis caro veniet“, so baut man sich einen Privataltar des Konsumerismus. Bei diesem schlichten Design könnte man ohnehin meinen, das sympathetische Modell eines Computers vor sich zu haben, und nicht den Computer selbst. So was Ähnliches wie bei den selbstgeschnitzten Kopfhörern des Cargo-Kults in Melanesien.
Auch das slickste Design braucht jemanden, der es zusammenschraubt. Mein MacBook war vor einer Woche noch in Shanghai, das weiß ich vom Tracking-Service des Spediteurs, der es hergebracht hat. „Consignment Received At Transit Point“, ist der erste Eintrag dort, am 22. November, um 13:45 in Shanghai. Vermutlich war das MacBook vorher sogar noch etwas weiter westlich, in Suzhou. Suzhou, das ist eine der Boomtowns im Jangtse-Becken. Sechs Millionen Einwohner. Unter den sechs Millionen jemand, der mein MacBook zusammengeschraubt hat, noch jemand, der es zwischen die Styropor-Platten gepackt und in den Pappkarton geschoben hat, und irgendwie ist es dann ja auch noch zum Transit Point gebracht worden.
Foto: ?stanleyDie Reiseführer loben Sunzhou: Stadt der Gärten, Venedig des Ostens, die Altstadt von Kanälen durchzogen. Wenn man bei Flickr ein bisschen stöbert, findet man einige schöne Bilder von den Gärten, den Parks, den Kanälen, auch von den neuen Hochhäusern. Viele der alten Bauwerke verschwinden aber zur Zeit in der Bau- und Spekulationswelle, die der wirtschaftliche Aufschwung gebracht hat, und machen Platz für Wolkenkratzer, wie dem Tor des Ostens, das nächstes Jahr fertig gestellt und 278 Meter hoch sein soll. Es sieht ein bißchen aus wie angetrunkene Twin Tower, die nach einer durchzechten Nacht nicht mehr so gut auf den Beinen stehen und sich aneinander festklammern müssen. Oder wie das Monster aus einem ganz schlechten Horrorfilm namens „Die Rückkehr der Todesjeans“.
Wie wohnt und arbeitet es sich in so einer Boomtown zwischen lauschigen Kanälen und Todesjeans? Ich lese aber noch ein bißchen weiter, zum Beispiel in der Wikipedia, wo unter anderem steht, dass die Altstadt kaum noch bewohnt sein soll, weil alle in die neuen Viertel in den Außenbezirken ziehen.
Interessant ist, dass der Boom mitgetragen wird von Unternehmern, die ursprünglich aus Taiwan stammen. Bei allem Säbelrasseln und Theaterdonner, das zwischen Festland und Insel gelegentlich stattfindet, gibt es schon längst eine Diplomatie der Spekulanten, die von den günstigen Löhnen auf dem Festland profitieren wollen. Quanta heißt ein solches Unternehmen, Foxconn ist ein anderes. Beide sind Vertragspartner von Apple, sie bauen iPods, MacMinis und manchmal auch MacBooks.
Das geht nicht immer sauber ab, muss man vermuten. Foxconn bekam vor ein paar Monaten einige schlechte Presse: Die Arbeitsbedingungen seien unzumutbar, hieß es in einer chinesischen Zeitung. Bei Foxconn verstand man da keinen Spaß, verlangte 3,7 Millionen Dollar Entschädigung und ließ sogar per Gerichtsbeschluß die Konten der verantwortlichen Journalisten einfrieren. Kritische Presse hat es in China nicht eben leicht, aber in diesem Fall gab es doch genug öffentlichen Druck, und mittlerweile ist man wieder ein gutes Stück zurückgerudert. Auch Apple bekam ein paar Schrammen ab: Es ist eben eines, Codes of Conduct herauszugeben, und ein anderes, deren Umsetzung nachzuprüfen.
Was aus den Journalisten geworden ist, weiß ich nicht. Auch nicht, wie die Arbeit in den Fabriken von Suzhou zur Zeit aussieht. Nicht ausgeschlossen, dass die Arbeitsbedingungen im Moment wieder auf einem Sweatshop-Niveau angekommen sind. Es geht auf Weihnachten zu, die europäische und amerikanische Kundschaft will ihre Gadgets haben, in Blogs und Foren wird schon kräftig gequengelt über lange Lieferzeiten, und ich bin nicht der einzige, der die spartanische Lyrik des Tracking-Logs ausdeutet, als wären es tiefsinnige, konfuzianische Spruchweisheiten: „Shipped From Originating Depot“, „Potential Connection Delay“, „Import Received“.
Aber so eilig habe ich es doch eigentlich nicht. Man könnte doch auch mal so einen kleinen Button einrichten, mit dem man in China anrufen könnte, um auszurichten, dass es doch gar nicht so dringend ist. Wär doch nett, wenn man zwischendurch auch ein paar freundliche Dinge mitteilen könnte. Schöne Grüsse, nächste Woche habe ich eh nicht so viel Zeit, auf das Paket zu warten, als trinkt ruhig noch ein bisschen Tee, und geht die schönen Gärten angucken, das passt schon.
Oder man könnte nett grüssen und sagen, dass es dann doch sehr fix ging, schneller als erwartet, danke vielmals, und noch mal schöne Grüße. Was ich habe, ist dieses schnelle Ding hier, und ich fliege über Satellitenbilder von Suzhou, drehe, wende und kippe ganze Stadtviertel, dass die Wolkenkratzer wackeln. Was die Leute in Suzhou haben, ist hoffentlich ein ordentlicher Feierabend. Und Zeit für die Gärten. Import Received.
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