Lange nicht mehr so gefroren im Stadion. Aber ich war auch schon lange nicht mehr in so einem Stadion: In Koblenz ist der inszenierte Multimedia-Fussball noch nicht so richtig angekommen, jedenfalls nicht auf der Gästetribüne, wo dicke Grasbüschel aus dem rotten Schotter der Stehplätze wachsen. Die Gegentribüne auf der anderen Seite ist so weit weg, dass man mehr vom Autoverkehr auf der Brücke dahinter hört als von den Koblenzer Fans. Vielleicht sind die auch nur meistens leise. Natürlich bläst man über die Sound-Anlage einen Einmarsch der Gladiatoren, aber in einer Stadionschüssel, die so offen ist wie die Kölner Abwehr und flach wie die Schalen, in die man in den Siebzigern die Knabbereien für den Wohnzimmertisch abfüllte, verpufft das wie Star Wars als Klingelton. Die lokale Fan-Hymne heißt „Black Blue Schängel Army“, das sagt schon alles.
Ich will ja nicht zuviel lästern, ich kenne ein paar Koblenzer Fans, die könnten das übelnehmen. Wenn die von früher erzählen, dann sind das echte Expeditionsberichte, in exotische Gefilde mit seltsamen Namen wie „Glas-Chemie Wirges“ und „Sportfreunde Eisbachtal“. Ich bin aber nicht wegen den Koblenzern hier, sondern um endlich mal wieder ein Spiel vom SC Freiburg zu sehen. Dass es ausgerechnet das Spiel ist, mit dem Volker Finke seine persönliche Abschiedstournee einleitet, ist Zufall.
Volker Finke ist in Freiburg fast so lange Trainer wie ich von da unten weg bin. Der SC war immer so ein Scharnier, um die Tür nicht ganz zuschlagen zu müssen. Die akzeptablen folkloristische Farbtupfer, wenn ich auf der Party erzählen mußte, wo ich herkam. Baden, home of the Tannenzäpfle, home of the Club, der Begriffe wie Breisgau und Brasilianer zu Geschwistern gemacht hat. Man konnte wenigstens ein bisschen so tun, als ob Provinzialität hip sein könnte. Und klar, ähnlich wie St. Pauli oder jetzt vielleicht Mainz gehörte Freiburg zu den Guten, wo der Kommerz das menschliche Element noch nicht ganz überwältigt hat. Und so weiter.
Freiburg war natürlich nicht wirklich cool, nur so auf studentische Art sympathisch. Da mag die Stadt im Sommer noch so italienisch warm sein, wer einen bösen Blick hat, wird sich immer noch über die Residuen der Spießigkeit mokieren. Die bleiben auch, wenn man gerade mal Bayern mit 5:1 zerlegt hat. Wenn’s gut lief, war Finke der nette Oberstudienrat. Wenn’s daneben ging, hatten die Interviews nach dem Spiel was von Elternabend.
Lange her. Jetzt geht Finke zum Ende der Saison, und ich schau mir den zerfahrenen Zweitliga-Kick an, mit dem der Anfang vom Ende seiner Ära eingeleitet wird. Viel ist da nicht zu sehen von dem, was einem sonst Spaß gemacht hat am SC. Gut, das gab es zwischendurch immer wieder, Spiele wie dieses, und Stadien wie dieses, ist ja nicht die erste Zweitligasaison unter Finke. Immerhin springt diesmal ein 1:0 am Ende raus, ganz „Wahre Arbeit wahrer Lohn“-gemäß Aber irgendwie sieht das Ganze jetzt auch so aus, als ob da ein Kreis geschlossen werden soll und eine ehemals graue Maus ein paar Jahre lang auf kunterbunt gemacht hat und jetzt lieber wieder grau sein möchte. Da ist das Stadion Oberwerth dann tatsächlich das passende Ambiente.
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