Vor ein paar Jahren hatte ich das Vergnügen, auf einer Party mit Boris Sieverts über seine seltsamen Städtereisen zu reden: Wanderungen und Radtouren zu den „wahrhaftigen Orten unserer Ballungsgebiete“, wie er das nennt, „in jene Weiten zwischen den zu Corporate Identities schrumpfenden Innenstädten und den etablierten Ausflugslandschaften“. Statt zu historischen Sehenswürdigkeiten und neuen urbanen Mitten führt er seine Teilnehmer dorthin, wo das Bild der Städte ausfranst, in Wohngebiete, zu Baggerseen und Brachflächen. Die Touren sind bisweilen mehrtägig, übernachtet wird im Freien oder in Autobahnhotels und Vorortgasthöfen.
Ob diese Orte nun „wahrhaftiger“ sind als „etablierte“ Plätze, ist sicher eine Frage, die man diskutieren müßte: Was macht ein Asylantenheim oder eine Autobahnauffahrt „authentischer“ als einen Musical Dome oder eine romanische Kirche? Aber das ist eigentlich auch nicht so sehr entscheidend: Wichtig ist ja nur, dass man überhaupt den Blick hinter die offizielle Fassade der Städte wirft und die Fransen, Sprünge und Ritzen dort wahrnimmt. Sieverts‘ Entdeckungsreisen in die urbanen Grauzonen ähneln darin einigen der Projekte, über die man gelegentlich im BLDGBLG lesen kann, Michael Cooks Reisen in Kanalisationen und U-Bahn-Schächte nordamerikanischer Städte zum Beispiel.
Jetzt ist Sieverts‘ „Büro für Städtereisen“ beim Kölnischen Kunstverein gelandet: Bis zum 30. September wird Sieverts seine Aktivitäten aus den Räumlichkeiten des Vereins führen. Es gibt eine kleine Ausstellung, die einige Exkursionen der vergangenen zehn Jahre, nicht nur in Köln, dokumentiert. Dazu hat Sieverts ein Sonderprogramm mit Wander- und Radtouren aufgelegt, das zu so innerexotischen Lokalitäten wie der Nord-Süd-Fahrt, durch den Hauptbahnhof und in einer „rauhen Tour“ in den Kölner Nordwesten führt. An vier Mittwochabenden finden außerdem sogenannte Google Earth Lectures statt, bei denen Sieverts zusammen mit Gästen und Publikum einzelne Orte anfliegt und darüber diskutiert.
Wer sich in Kölner Kneipen umschaut, kann hier und eine ausführliche Broschüre zu den Veranstaltungen finden. Einige Touren überschneiden sich im übrigen mit dem Architekturforum Plan07, das vom 21. bis zum 28.9. stattfindet (und hier sicher auch noch einen Platz finden wird).
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