Longtailigere Märkte als den für klassische Musik gibt es kaum: CDs verkaufen sich nicht in hohen Stückzahlen, von Pop-Stars wie Lang Lang oder Nigel Kennedy mal abgesehen, aber im Idealfall über einen langen Zeitraum. Für eine Musikindustrie, deren Interesse eher dahingeht, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit abzusetzen, kann so ein Nischenmarkt eigentlich kaum interessant sein. Dementsprechend wenig Angebote gibt es bisher für Downloads klassischer Musik.
Nun kommt etwas Bewegung in diese Landschaft, und es wird interessant sein, zu sehen, welche Wellen zwei Meldungen aus dieser Woche schlagen. Da ist einmal die Sopranistin Barbara Hendricks gemacht, die nach dem Vorbild von Radiohead – ein ganzes Album für einen frei wählbaren Preis ins Internet gestellt hat.
Endless Pleasure ist eine schöne Zusammenstellung barocker Lieder und Arien von Purcell und Händel: Den Download kann ich also gern empfehlen. Wer mehr als sieben Euro bezahlt, kann außerdem noch zwei weitere CDs (Schumann-Lieder und Canciones Españolas) zum jeweils gleichen Preis bestellen. Mit der Aktion sorgt Hendricks auch für ein bißchen Aufmerksamkeit für ihr eigenes Label, Arte Verum, das Anfang des Jahres an den Start ging.
Hendricks‘ Schritt könnte unter Interpreten klassischer Musik eine ähnliche Entwicklung auslösen wie das in der Pop-Musik schon hier und da zu beobachten ist: Mehr Autonomie in den Produktions- und Vertriebsbedingungen der eigenen Musik zu suchen. Prominente Namen haben es natürlich auch hier einfacher, aber auch die klassischen Labels müssen sich Gedanken darüber machen, wie sie zum Beispiel einen Thomas Quasthoff davon überzeugen, dass sie unverzichtbar sind.
Und dann gibt es also die neue Online-Plattform der Deutschen Grammophon, auf der ich mich gestern eine Weile herumgetrieben habe. Dort gibt es nun wirklich ein großes Angebot (2.400 Titel ist die offizielle Zahl), aber alles andere wäre bei einem Namen wie der Deutschen Grammophon auch seltsam.
Schön ist die Möglichkeit, dass man über die Plattform auch Titel herunterladen kann, die auf CD vergriffen sind – auch wenn mich bei einigen CDs wundert, wie schnell die offensichtlich aus dem Katalog genommen wurden. Einige Titel sind gerade mal etwas über ein Jahr alt – und dementsprechend auch noch hier und da auf CD zu bekommen, teilweise zu günstigeren Preisen als im Online-Shop. (So eine Rubrik bietet also auch die Möglichkeit, einen Katalog noch schneller durchzuschleifen und Kosten für physische Produktion und Lagerhaltung zu senken.)
Die CD-Booklets sind in der Regel als PDF verfügbar. Die Preise für Downloads bewegen sich so im üblichen Rahmen; ich hatte beim oberflächlichen Durchforsten den Eindruck, dass einige Titel, die auf CD in Billigpreis-Reihen verfügbar sind, sogar etwas teurer sind (zum Beispiel einige Titel der blauen Archiv-Reihe), aber vielleicht täusche ich mich da.
Die Qualität ist akzeptabel: MP3-Dateien im 320 kbs/sec., das reicht für den Hausgebrauch. Aber vielleicht könnte man für interessierte Hörer auch bessere Formate anbieten, meinetwegen zu einem etwas höheren Preis? Was man sicher nochmal überdenken sollte, ist die Preisgestaltung für die Downloads einzelner Stücke. Das könnte man sicher noch etwas flexibler gestalten – momentan kostet jeder Einzeldownload einheitlich €1.29, unabhängig von Länge oder Art des Stücks, egal, ob es sich um ein kleines Präludium handelt oder eine große Arie (Edit: Ich sehe gerade, dass es da doch eine Staffelung gibt: €1,29 ist wohl der Mindestpreis, es geht aber auch teurer und das scheint abhängig von der Dauer des Stücks zu sein: Stücke über 7 Minuten kosten mindestens €1,99, über 10 Minuten finde ich für €2,69 und über 15minütige für €2.99). Dumm aber auch, dass sich diese Komponisten nicht an einheitliche und Single-taugliche Formate halten konnten.
Man kann alle Titel anspielen, und dankenswerterweise hat man auch bedacht, dass es bei klassischer Musik oft ein bißchen mehr Zeit braucht, um sich in eine Interpretation hineinzuhören: Die Ausschnitte, die ich gefunden habe, sind alle von vernünftiger Länge. Auch insgesamt ist die Qualität der Downloads akzeptabel
Hier und da wünscht man sich ein bißchen ausführlichere Beschreibungen zu den CDs, aber erstens gibt’s die in den Print-Katalogen auch nicht immer und zweitens kommt das vielleicht noch – an einigen Stellen merkt man der Plattform eine gewisse Vorläufigkeit an. Die Rubrik „What’s coming“ ist momentan einfach eine Leerstelle.
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