Gut: Siegfried Jähn war der erste Deutsche, der in einer kleinen Blechkiste um die Erde flog. Aber das ist doch bloß eine kosmische Spritztour gewesen und nichts gegen eine Ausbildung auf Sirius.
Vor ein paar Jahren hatte ich eine Radiosendung vorzubereiten, in der es um berühmte Väter und ihre Söhne ging. Markus Stockhausen war auch eingeladen, und wir führten telefonisch ein Vorgespräch. Das war eine sehr angenehme Unterhaltung, auch wenn (besser: gerade weil) Stockhausen zurückhaltend mit persönlichen Details umging. Es liess sich auch so einiges erfahren über den anregenden und anstrengenden Umgang mit jemandem, der nicht nur als Genie galt, sondern auch als eines lebte.
Es gibt ja in Stockhausens Biographie einige archetypische Merkmale, zu denen sich Parallellen in den Lebensgeschichten anderer großer Monomanen finden lassen. Beim Lesen der Nachrufe ist mir bei einigen Punkten Arno Schmidt eingefallen: Herkunft aus eher bescheidenen Verhältnissen – daraus resultierend eine dynamische Kombination von Einzelkämpfertum und Dickschädeligkeit, die einem erstmal hilft, den Kopf rauszustecken und Position zu beziehen – der Rückzug in die Provinz, wenn man im Geplapper der Szenen nicht mehr mittun will oder kann – dort dann die Arbeit an einer künstlerischen Superformel, der alle Produktion, nicht nur die eigene, unterworfen werden soll – das Abdriften in einen selbstgebauten, selbstreferenziellen Kosmos, in dem das Nachfolgen immer schwieriger wird, weil die Bezugssysteme nicht mehr durchgehend von dieser Welt sind. (Und dann doch immer wieder der Blick durch’s Fernrohr in die Welt, um – wie Diedrich Diederichsen mal zu einem Foto von Arno Schmidt geschrieben hat – nachzugucken, ob da nicht jemand kommt, den man wegscheuchen oder wenigstens in die Schranken weisen kann.)
Ich bin – wie die meisten meiner Generation, die sich sowas anhören – auch nur einer der spät berufenen Stockhausen-Hörer, die über den Umweg der ganzen Ambient-Elektronik-Welt neugierig gemacht wurden. Stockhausen als Pionier der elektronischen Komposition und der Studio-als-Instrument-Denke: Es sind vor allem die frühen Werke, die ich auch heute noch frisch und aufregend finde: Kontakte, der Gesang der Jünglinge …. mit dem ganzen kosmischen Wagalaweia des Licht-Zyklus kann ich dagegen nur punktuell was anfangen: Das ist der Soundtrack für die Bar am Ende des Universums, und die kann ich eh nicht frequentieren.
„Engel sind neugierig, aber höflich“, hat Karlheinz Stockhausen vor einigen Jahren geschrieben. Dann hat er jetzt wohl sein Publikum gefunden.
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