Ein architektonisches Juwel ist sie sicher nicht, die ehemalige Hauptgeschäftsstelle der Stadtsparkasse Köln. Aber sie ist doch ein ganz gutes Beispiel für den zaghaften Aufbruch der deutschen Nachkriegsarchitektur in die Moderne: Eine Art Brutalismus light. Mich hat die Fassade immer an rautiertes Papier erinnert: Klare Linien, aber doch eine gewisse Leichtigkeit. Wenn man den Wechsel der unterschiedlichen Grautöne aus der Nähe betrachtet, hat das Ensemble sogar fast etwas wie Eleganz.
Der Stadtsparkasse reichte diese graue Zurückhaltung nicht lange aus. Schon Anfang der Neunziger ließ man sich nebenan einen ambitionierten Neubau errichten, mit viel Glas und Neon, der aber, muss man sagen, im Vergleich zum spartanischen Vorgängerbau wesentlich unvorteilhafter gealtert zu sein scheint und eher den Charme eines mittelstädtischen Freizeitbades ausstrahlt. Die alte Zentrale ist in den vergangenen Jahren eher ein Monument des Scheiterns gewesen: Der ProMarkt versuchte von hier aus, Saturn auszuhebeln, musste aber ebenso klein beigeben wie zahlreiche Modegeschäfte an der Ringseite. Große Teile des Gebäudes standen, so weit man das von außen sehen konnte, einfach leer.
Das ist nun bald Vergangenheit. Die Abreißkommandos sind bereits unterwegs, und bis zum Ende des nächsten Jahres soll hier schon ein neuer Komplex stehen. Architekten sind Hentrisch-Petschnigg Partner (denen die Sparkasse schon ihr Spaßbad nebenan verdankt), Bauherr ist die MEAG, eine Vermögensverwaltung von Münchner Rück und Ergo. Geplant ist ein siebengeschossiges Gebäude mit viel Glas, „hochwertigen Einzelhandelsgeschäften“, „teilweise auch Außengastronomie“, und überhaupt alles in „transparenten Gebäuden, die regenerative Energien nutzen“. Der ganze Shabang eben, der zu so einem Projekt dazugehört.
Einen Namen gibt es auch schon: Westgate. Im angelsächsischen Raum steht das Suffix -gate ja eher für Dinge, die im Fiasko enden. Die MEAG will den Namen aber historisch gedeutet wissen und informiert uns, dass „im Mittelalter Könige nach ihrer Krönung im Aachener Dom zum Reliquienschrein der Heiligen Drei Könige in die Kölner Kathedrale“ zogen, und zwar über „die Achse Aachener Straße – Neumarkt – Dom mit der Hahnentorburg als Eintrittspforte“. Die „Achse“ ist auf dem Stadtplan betrachtet eher eine krumme Banane, aber egal, historische Schnipsel wie diese streut man einfach gerne in die Investment-Prospekte.
Vielleicht interessiert es die MEAG, dass die Aachener Strasse und die Hahnentorburg sogar eine viel reichhaltigere Geschichte haben. Eine wichtige Bedeutung dieser Achse ist in Köln sogar redensartlich geworden: Wenn man von jemandem sagt, er sei „met de Fööss vüran de Hahnepooz eruss“, dann geht es ihm meistens nicht mehr sehr gut. Er ist dann nämlich im Sarg (also mit den Füßen voran) durch das Hahnentor getragen worden, in Richtung Melaten-Friedhof. Wenn man sich anguckt, wie’s auf den Immobilienmärkten aussieht, scheint mir das auch eine nicht ganz passende Referenz.
„Weltstädtische Eleganz und die harmonische Einbindung in die Bestandsarchitektur an den Ringen wird dieses ambitionierte Projekt auszeichnen“. Weltstädtische Eleganz ist freilich etwas, was es hier am Rudolfplatz, neben Imbissbüdchen, Reisebüros und Kamps-Bäckereien, nicht wirklich gibt. Und eine harmonische Einbindung in ein städtisches Umfeld, in dem es alles gibt außer stilistischer Harmonie, das ist nun echt eine Aufgabe, auf deren Lösung ich gespannt bin.
Gegenüber von der alten Sparkasse gibt es übrigens noch so ein Relikt modernistischer Architektur, das mehr oder weniger vor sich hingammelt: Das Theater am Rudolfplatz. Momentan ist darin eine Disco untergebracht, in der sich das trifft, was in Köln Schickeria sein möchte. Unter der niedlichen Bullaugen- und Triangel-Front hängt ein Plakat mit einem bizarren 80er-Jahre-Motiv und der Aufschrift: „In Bed With Space“. Ich habe keine Ahnung, was damit gemeint ist, aber es wäre kein schlechtes Motto für einen Architekturblog.
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