Also bin ich dann gestern auch mal mit der neuen Mittelrheinbahn gefahren. Seit Sonntag verkehrt nämlich auf der Strecke, auf der ich (mehr oder weniger) regelmäßig in die Stadt pendle, eine Privatbahn. Nicht die erste private Bahn in Deutschland, aber immerhin handelt es sich bei der linken Rheinstrecke zwischen Mainz und Köln um eine der prestigeträchtigsten und vielbefahrendsten Strecken im deutschen Bahnverkehr, und ich könnte mir denken, dass es der Bahn durchaus was ausmacht, hier den kürzeren gezogen zu haben.
Die Mittelrheinbahn wird gerne als Privatbahn vorgestellt, aber die Gesellschafterstruktur ist komplexer: Wichtigster Teilhaber des Betreibers trans regio ist die EuRailCo, eine Tochter der französischen Transdev, an der wiederum die staatliche Caisse des dépôts et consignations und der Pariser ÖPNV-Betreiber RATP beteiligt sind. Weiterer Gesellschafter ist die Rheinbahn, die wiederum einer Beteiligungsgesellschaft der Düsseldorfer Stadtwerke und der Stadt Düsseldorf gehört. Ein Privatunternehmen mit einem erstaunlichen Kreis an öffentlichen Gesellschaftern also.
Als Pendler ist einem das ja zunächst einmal egal, wer da in den Bahnhof gerollt kommt: Hauptsache, er kommt einigermaßen pünktlich, die Türen gehen auf, es ist drinnen angemessen bequem und warm und man kommt in einer überschaubaren Zeit da an, wo man auch hin will. Am Sonntag, dem ersten Tag der neuen Bahn, hat das dem Vernehmen nach nicht so besonders gut geklappt: Startschwierigkeiten, sogar Chaos haben einige Mitfahrer erlebt. Am Montag war es dann schon einigermaßen o.k.: In Deutz und am Hauptbahnhof rollte der Zug recht pünktlich ins Gleis. Bei der Fahrt aus dem Hauptbahnhof ging es dann aber doch erstaunlich langsam voran, so als wollte die Bahn sich mit sämtlichen Zügen eben noch mal vorbeidrängeln, bevor der Newbie auf den Weg durfte.
Dass sich auf der Strecke was tun wird, konnte man schon vor einigen Wochen feststellen, als in einigen Bahnhöfen zusätzlich zu den orangenen Automaten des Verkehrsverbundes und den blauen der Bahn ein neuer, gelber hingestellt wurde. Außer der Information, dass man auch dort bald Fahrkarten kaufen könne, war allerdings nicht viel zu erfahren (und ich frage mich, was ausländische Touristen mit dieser babylonischen Automatenverwirrung anfangen).
Aber wodurch unterscheidet sich nun so ein privater Betreiber in der Praxis? Eigentlich kaum, und als Fahrgast, siehe oben, ist einem das ja nur recht. Auf ihrer Website versuchen die Betreiber die Fahrt mit der Mittelrheinbahn zwar als touristischen Bummeltrip durch ein romantisches Abenteuerland zu positionieren, den meisten Pendlern dürfte das aber herzlich egal sein. Die Waggons der Mittelrheinbahn sind angenehm durchschnittlich und unterscheiden sich kaum von dem, was die Deutsche Bahn durch die Lande schickt: Viel Hartplastik, mehr abgerundete Ecken als ein Web-2.0-Design und Displays in dieser punktförmigen Schrift, die ich immer „Marquee“ nenne, weil ich nicht weiß, ob sie überhaupt einen Namen hat. Man muss auch keine Angst haben, aus versteckten Lautsprechern mit leichter Muzak beschallt oder von Flachbildschirmen mit Mordillo-Clips und Werbespots im Dutzend behelligt zu werden. Dafür riecht es nach neuem Auto (und nach dem Jucken in meiner Nase zu urteilen, sind vielleicht nicht alle verwandten Lösungmittel allergisch unbedenklich).
Die Designer haben zwar „alles getan, die Waggons optisch von der Flotte der Deutschen Bahn abzuheben“, behauptet der WDR. Wenn das so war, haben sie es offensichtlich nicht als besonders anspruchsvolle Aufgabe empfunden: Die Kombination von Mausgrau und Postgelb finde ich eher langweilig, und die Sitzbezüge haben eines dieser generischen Strichmuster, die schon zum Launch so out sind, dass es Jahre dauern wieder, bis sowas wieder retro-chic wird. Das Auffälligste am ganzen Wagen ist freilich ein großer knallgelber Stern, der die Bahn als „neuen Star am Rhein“ ankündigt, aber so wie er platziert ist, könnte er auch Werbung für Musicals oder Schnäppchenmärkte machen.
„Die Waggons sind klimatisiert und behindertengerecht“, sagt der WDR, aber was den letzteren Aspekt angeht, bin ich mir nicht so sicher, da würde ich dann doch mal gerne einen Rollstuhlfahrer fragen können. Bei einer Bahn, die vor allem von Pendlern genutzt wird, hätte man dann schon ein bisschen genauer hingucken können, ob der Einstieg überall ebenerdig oder ohne größeren Schritt zwischen Fahrzeug und Bahnsteig möglich, und der Gang zwischen den Sitzen kommt mir auch etwas eng vor. Einige Verwirrung gab’s (zumindest im Zug, in dem ich saß) auch dadurch, dass das Fahrradabteil anders als bei den Zügen, die die Bahn einsetzt, nicht an einer Stelle (meist vorne oder hintem im Zug) angebracht ist, sondern als kleine Freiräume über den ganzen Zug verteilt. Die mitfahrenden Radfahrer knubbelten alle auf einer viel zu engen Fläche im vorderen Wagen. Ist aber nur eine Sache der Gewöhnung.
Die übrigen Extras, mit denen die Mittelrheinbahn für sich wirbt, wie Wickeltisch oder Überwachungskameras, konnte ich mangels Kleinkind und Notlage nicht wirklich austesten. Und nicht verstanden habe ich auch, warum ein so durchschnittliches Zugmodell unbedingt auf den Namen „Desiro“ hören muss – so kann man, bitte schön, Feinstrumpfhosen benennen, oder Diätquark, aber nicht eine Eisenbahn.
Ansonsten: Der Zug kam einigermaßen pünktlich, die Türen gingen auf, es war drinnen angemessen bequem und warm. Am Fenster rauschten die Gewerbegebiete vorbei, die Neubauviertel und die Schlangen der nach Hause pendelnden Autofahrer, und sie sahen auch nicht anders aus wie aus den Fenstern eines Zuges der Deutschen Bahn. Und ich kam in einer überschaubaren Zeit zu Hause an. Viel mehr muss ein Zug nicht können. Bitte nicht.
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