Um es mit Max Goldt zu sagen: „Mich interessiert diese Mode, an Apostrophen zu mosern, überhaupt nicht“. Gleichwohl fand ich diese Meldung aus Birmingham amüsant: Dort wird von Amts wegen zukünftig auf den Gebrauch von Apostrophen in Ortsnamen verzichtet, aus King’s Heath wird Kings Heath. Während also bei uns eine fröhliche Proliferation von Apostrophen und Elisionen zu beobachten ist, macht’s die Stadtverwaltung von Birmingham gerade andersherum: Weg mit dem Auslassungszeichen, runter mit dem Hochkomma, nieder mit dem Oberstrich. Folgten die entsprechenden aufgeregten Leserbriefe und Blogkommentare derjenigen, die sich als Kustoden der englischen Sprache erachten, wobei das Verschwinden der Apostrophe in Birmingham lustigerweise aus fast den gleichen Gründen beklagt wird wie hierzulande das Überhandnehmen.
Nun scheint die Stadtverwaltung weniger eine komplette Neuerung eingeführt, sondern eher einer Praxis sanktioniert zu haben, die in der Stadt schon seit längerem geübt wurde, nur eben nicht konsistent und offenbar mit gelegentlichen Diskussionen. Martin Mullaney, bloggender Stadtrat des nun also definitv Kings Heath heißenden Viertels, erwähnt in seinem Blog, dass sein Wahlbezirk schon seit den Fünfzigern offiziell eigentlich ohne Apostroph geschrieben wird, was aber – wie man auf diesem Foto sehen kann – nicht immer beachtet wurde.
In den meisten englischsprachigen Ländern ist der Verzicht auf Apostrophen ohnehin längst gang und gäbe: US-amerikanischen Toponyme werden offiziell grundsätzlich ohne Apostroph geschrieben (von genau fünf Ausnahmen abgesehen, sagt die englische Wikipedia, nennt allerdings nur Martha’s Vineyard – was sind die anderen vier?). In Australien gilt seit einigen Jahren das Gleiche: „With the emergency services using computer databases there was a need for nationwide consistency“, sagt Mullaney und meint: „It would be tragic if the ambulance couldn’t find your street, if you forgot to include the possessive apostrophe when calling 999.“ (Ob das eine reale Gefahr ist, lass ich mal dahingestellt. Oder gab es tatsächlich schon mal den Fall, das ein Notarzt ein Haus wegen eines fehlenden Apostrophs nicht gefunden hat?). Großbritannien leistet sich dagegen noch den Luxus der Uneinheitlichkeit: So gibt es King’s Lynn ebenso wie St Albans.
In Birmingham soll es nun Konsistenz und Einheitlichkeit geben, sagt Mullaney. Außerdem sind auf städtischen Schildern offenbar schon so viele Apostrophen entfernt, überpinselt oder gar nicht erst angebracht worden, dass die Wiedereinführung „astronomische Kosten“ verursachen würde, behauptet er. Interessanter finde ich Mullaneys drittes Argument, nämlich dass der Apostroph grammatisch und historisch obsolet geworden sei, weil er keiner realen Gegebenheit mehr entspricht. Da sich Kings Heath nicht mehr im Besitz des Königs befinde, habe auch die Possessivanzeige durch den Apostroph keine Berechtigung mehr.
Mullarney unterschlägt hier allerdings, dass nicht alle „possessiven“ Toponyme auf Besitztümer verweisen müssen. Das Viertel Druids Heath mag sich nie im Besitz eines (oder mehrerer) Druiden befunden haben, sondern lediglich Treffpunkt oder Aufenthaltsort gewesen sein. Aber lassen wir mal außen vor, ob das Argument nun wirklich eine Rolle gespielt hat oder eher als wissenschaftlich klingende Legitimierung einer pragmatischen Entscheidung dient. (Und ob es überhaupt ein Argument ist, denn warum müsste der Name eines Ortes durch seine aktuellen Gegebenheiten gedeckt sein?)
Interessant ist aber das semantische Gewicht, das bei einer solchen Interpretation einem kleinen grammatischen Zeichen beigemessen wird. Die Tilgung des Apostrophs ist damit ein fast republikanischer Akt: Gestürzt wird ein winziges, nichtsdestoweniger sperriges Denkmal, das an eine überwunden geglaubte Zeit erinnert, als das, was heute ein Wohnviertel ist, tatsächlich noch Privatbesitz einer einzelnen Person sein konnte. Der Apostroph, könnte man mit Derrida sagen, ist so etwas wie eine hauntologische Spur, die auf die Geschichte dieses Ortes verweist.
Die Tilgung des Apostrophs ist natürlich nicht gleichbedeutend mit der Löschung dieser Spur. Die Schreibweisen von Ortsnamen haben sich zu allen Zeiten und Orten verändert. Aber man kann am Beispiel von Birmingham ganz hübsch sehen, dass nicht nur grammatische oder ästhetische Gründe eine Rolle spielen, sondern auch soziale Aspekte. Paradox ist allenfalls, dass die Toponyme in Birmingham ihre possessive Qualität zu einem Zeitpunkt einbüßen, wo in vielen Orten Westeuropas öffentliche Räume wieder reprivatisiert werden …
(Man könnte der Stadt Birmingham im übrigen auch raten, gleich Nägel mit Köpfen zu machen und das ebenso überflüssige Leerzeichen mit zu tilgen. Aber Kingsheath wäre dann vielleicht doch zu zweideutig.)
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