Der Fernmeldeturm auf dem Großen Feldberg im Taunus ist eines der merkwürdigsten und markanstesten technischen Bauwerke in Deutschland. Er ist weder fragiles Drahtgeflecht à la Eiffelturm, noch der elegante Balanceakt aus Beton, wie ihn die Typentürme der Deutschen Bundespost verkörpern.
In den meisten Beschreibungen des Turms heisst es, dass er eher einem Hochhaus als einem Fernmeldeturm ähnele. Das scheint mir mehr für die erste Version des Turms zu gelten, die 1937 errichtet wurde und die während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde. Die Version, die man 1950 (unter teilweiser Verwendung des alten Stahlbetonsockels) errichtete, ist schon ganz eindeutig als Turm gedacht. Aber es ist ein Turm, der aus dem, was er beherbergt, eher ein Geheimnis macht: Technischer Fortschritt ist hier nichts, was öffentlich zugänglich oder sichtbar wäre, sondern ein Mysterium, das in einem düsteren Orthanc aufbewahrt und von unsichtbaren Hohepriestern verwaltet wird.
Die gesamte Anlage, einschließlich der im Halbrund angeordneten Nebengebäude und des kleineren Aussichtsturms mit Wandererheim im Hintergrund, macht eher den Eindruck einer futuristischen Festung – eines vergangenen B-Movie-Futurismus freilich. Es wäre kaum verwunderlich, wenn plötzlich oben aus dem Turm irgendwelche Gammastrahlen herausschießen würden, abgefeuert von einem verrückten Wissenschaftler, der von hier aus die Wolken über Frankfurt manipulieren will. Mit ein bisschen Fantasie könnte man sich die zahlreichen Motorradfahrer als Teil der privaten Schutztruppe vorstellen – die bunten Lederkombis entsprechen vage den Fantasieuniformen, die solche Privatarmeen in den einschlägigen Filmen trugen.
Der Aussichtsturm war ursprünglich sogar wie eine kleine Burg gestaltet worden. Das heutige Bauwerk ist nicht minder bizarr als der benachbarte Fernsehturm. Es gibt hier überhaupt keinen Versuch, den Betrachter mit der ihn umgebenden Natur in Beziehung zu setzen. Das Betontreppenhaus mit seinen schmalen Glasbausteinfenstern ist düster und abweisend, eine Mischung aus Bunker und Burg.
Die Aussichtsplattform mit ihren Xyladecor-Wänden und Isolierfenstern wirkt wie eine Kontrollkanzel über eine Welt, die man nur beobachten kann, mit der man ansonsten nicht viel zu tun hat. Man fühlt sich seltsam distanziert hier oben, so etwa wie der Protagonist eines Endzeit-Romans: Alles scheint noch vorhanden, die Dörfer, die Städte, die Landschaft. Aber das einzige verbliebene Geräusch ist das Rütteln des Windes an den Fensterscheiben …
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