In Südtirol


Burg Maultasch

Was ist der Rhein mit seinen paar Burgen gegen die Etsch mit ihren Schlössern und Ruinen! (Otto Julius Bierbaum)

Südtirol: Das ist ja weniger ein Urlaubsziel, sondern eher etwas, das einem vor allem als Kind widerfährt, so wie Masern oder Mumps. Ansonsten fahren da doch nur Rentner hin, oder FAZ-Kolumnisten, oder Leute, die monothematischen Urlaub machen, Trans-Alp auf dem Einrad, Vie ferrate mit Inline-Skates oder sowas.

Aber dann hat die Bratschistin an meiner Seite dieses nette Ferienhäuschen im Internet gefunden, das irgendwie nicht so aussah wie all die anderen Ferienhäuschen, sondern tatsächlich so, als ob man es sich dort angenehm, stilvoll und entspannt wohl sein lassen könnte. Also dachten wir wie Tucholskys nicht einschlafen könnender Herr Wendriner („… vielleicht Bozen, Bozen ist mir sehr empfohlen worden“) und buchten das hübsche Ding. Das ging ganz schnell und unkompliziert. Toll, dieses Internet.

Nach Süden also, erst durch die deutschen Mittelgebirgshügel, dann hinein in die erst wolkenverhangenen, ab Innsbruck plötzlich sonnendurchfluteten Tiroler Alpen, wo wir es dann mehr wie Emilie Fontane dachten, als sie auf der gleichen Strecke unterwegs war – „Das einzelne wirkt nicht bewältigend, aber das Ganze macht einen bedeutenden Eindruck“.

Die erste angenehme Überraschung im Zielort Terlan: Das Ferienhäuschen war in echt noch hübscher als auf den Bildern. Es liegt inmitten sanft ansteigender Weinberge, vor einer spektakulären Felsenkulisse, und an einem Landsträßchen, das sich mit bereits spürbar italienischem Flair zwischen altem Gemäuer emporwindet. Der Blick kann ausgiebig das Etschtal hinauf- und hinunterwandern, von den zackigen Gipfeln bei Meran bis zu den moderater gewellten Hügeln des Unterlands. Die Wohnung ist hell, geräumig und es gibt viel Platz im Grünen drumherum, damit man alles das machen kann, wofür man schließlich in den Süden fährt: Um wichtige Tätigkeiten wie Nahrungsaufnahme, Bücherlesen und Herumdösen ins Freie zu verlegen und schadenfroh mit frustrierten Daheimgebliebenen zu telefonieren.

Terlan und Gantkofel

Die zweite angenehme Überraschung: Die Vermieter waren mindestens ebenso freundlich wie ihr Häuschen hübsch, und haben sich mit guten Tipps, Hilfsbereitschaft und leckerem Kuchen redlich verdient, dass ich hier ein bißchen Werbung mache.

Und so saßen wir also am ersten Abend schon zwischen den Weinbergen und ließen’s uns ganz goetheanisch wohl ergehen:

Das Glocken- und Schellengeläute der Heuschrecken ist allerliebst, durchdringend und nicht unangenehm. Lustig klingt es, wenn mutwillige Buben mit einem Feld solcher Sängerinnen um die Wette pfeifen; man bildet sich ein, daß sie einander wirklich steigern. Auch der Abend ist vollkommen milde wie der Tag.

Die „mutwilligen Buben“ pfeifen heute noch gelegentlich, versuchen sonst eher, den Grillen mit dem Lärm ihrer Mofas Konkurrenz zu machen, aber sei’s drum:

Wenn mein Entzücken hierüber jemand vernähme, der in Süden wohnte, von Süden herkäme, er würde mich für sehr kindisch halten. Ach, was ich hier ausdrücke, habe ich lange gewußt, so lange, als ich unter einem bösen Himmel dulde, und jetzt mag ich gern diese Freude als Ausnahme fühlen, die wir als eine ewige Naturnotwendigkeit immerfort genießen sollten.

Wird es uns, lieber Leser, liebe Leserin, auch in den folgenden Tagen gelungen sein, diese ewige Notwendigkeit zu genießen? Fortsetzung folgt.

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