Felsendom


Mariendom Neviges

Was für ein Haus wollt ihr mir bauen, spricht der Herr. (Apg 7.49)

Ein Gebirge aus Beton im Bergischen: Der Mariendom in Neviges. Er ist über vierzig Jahre nach seinem Bau immer noch ein imposantes und exzentrisches Gebäude, trotz einiger Altersflecken, die Feuchtigkeit und Moos hier und da schon angebracht haben.

Mariendom Neviges

Es gibt eine sentimentale Anekdote zur Entstehung dieses Baus, die nicht ganz zur sperrigen Ästhetik zu passen, sondern eher in die Tradition kirchlicher Mythen zu gehören scheint. Böhms Entwurf war nämlich im Wettbewerb zunächst unterlegen. Dann habe sich Kardinal Frings die Modelle der Architekten vorführen lassen. Weil sein Sehvermögen schon stark getrübt war, habe er die Besonderheiten der einzelnen Modelle mit den Händen ertastet. Von Böhms Entwurf sei er so begeistert gewesen, dass er eine Neuansetzung des Wettbewerbs verlangt habe. Und im zweiten Durchlauf ging Böhm schließlich als Sieger hervor.

Mariendom Neviges

Ob sich die Geschichte wirklich so zugetragen hat, weiß ich nicht, aber sie hat natürlich einen nachvollziehbaren Charme, weil sie die Konzeption des Gebäudes zu etwas erklärt, das man ganz handfest nachfühlen und nachspüren kann. Der Dom ist schließlich nicht irgendeine Kirche, sondern ein populärer Wallfahrtsort, mit dem sich ein religiöses Massenpublikum identifizieren können muss. Die Anekdote gibt der Monstrosität und Kühnheit des Baus ein menschelndes Maß. Und vielleicht hat sich das Modell mit seinen seltsamen unregelmäßigen Zacken und Kanten tatsächlich viel interessanter angefühlt als konventionelle, symmetrische oder fein ziselierte Entwürfe.

Mariendom Neviges

Man kann vieles in dieser Kirche sehen: Burg, Zelt, Felsmassiv, die Stadt auf dem Hügel (auch wenn der Dom eher am Fuß eines Abhangs liegt). Das Innere der Kirche ist wie ein städtischer Platz gestaltet, allerdings weniger (wie oft gesagt wird) wie ein Markt, denn eine freie Zirkulation von Ideen oder Waren ist hier sicher nicht beabsichtigt, sondern mehr wie die zentrale Piazza italienischer Städte: Dort ist die Gestaltung oft auf den Sitz der Regierung ausgerichtet, hier befindet sich der Altar im Mittelpunkt.

Mariendom Neviges

Vielleicht muss man während einer Messe anwesend sein, um die Böhm’sche Konzeption so würdigen zu können wie sie gedacht war. Wenn das Gebäude hell erleuchtet ist und tatsächlich mehrere Tausend Pilger anwesend sind (insgesamt 6.000 finden hier immerhin Platz), dann mag tatsächlich der Eindruck einer lebendigen Stadt entstehen. Unter der Woche hat das Gebäude auch etwas Unheimliches und Düsteres, vor allem wenn man es aus einem sonnendurchfluteten Tag betritt. Die Glasfenster (die an Gilbert & George erinnern) tauchen nur die hinteren Bereiche der Kirche in schummrige Lichtfelder, aber der größere Teil des Gebäudes liegt im Dunklen. Die leuchtende Stadt, die der Dom nach außen darstellt, wirkt dann im Inneren eher unfertig, wie eine große Baustelle, auf der schon einige Andeutungen der zukünftigen Gestalt zu erkennen sind, die Arbeit aber für unbestimmte Zeit suspendiert wurde.

Mariendom Neviges

Es ist gerade diese Atmosphäre einer unfertigen, noch zu Ende zu bauenden Stadt, die ich an diesem Dom besonders faszinierend finde. Böhms Architektur lässt duchaus Platz für das Unbestimmte, das Unheimliche und das Prekäre: Der Kirchenraum nicht als Heimat oder spirituelles Wellnesszentrum (denn „wir haben hier keine bleibende Stadt“), sondern als Herausforderung.

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