Falls Sie noch nie ein Buch über Michael Jackson gekauft haben, probieren Sie es doch mal mit diesem: The Resistible Demise of Michael Jackson ist eine durchweg lesenswerte Sammlung popkultureller Essays, die sich Jacksons Karriere unter politischen, kulturkritischen, pophistorischen oder urbanistischen Gesichtspunkten (um nur ein paar zu nennen) vornehmen, ohne dabei in die Form des „gedankenlosen Tributs“ oder „tratschenden Rufmords“ zu verfallen.
Die Brecht-Referenz im Titel ist durchaus angemessen: Es geht darum, Jacksons Aufstieg zum King of Pop (oder besser, wie einer der Texte formuliert, zum King of Pop Stars) ebenso wie seine öffentliche Demontage als tragischer Freak nicht als Zufallsprodukte oder Naturereignisse zu behandeln, sondern als Prozesse, die auf vielfache Weise mit den parallelen kulturellen und politischen Entwicklungen verknüpft waren. Der phänomenale Erfolg von Thriller kann man vielleicht in mancher Hinsicht auch als klassisches Beispiel eines „schwarzen Schwans“ einstufen, also – nach Nassim Taleb – als ein unvorhersehbares Ereignis mit weit reichenden Konsequenzen, für das man erst post factum angemessene Erklärungen findet. Aber das heisst ja nicht, dass man vor dem Spektakulären oder Bizarren dieses Erfolgs nur erschaudernd in die Knie gehen dürfte und nicht nachschauen könnte, welche kollateralen Phänomene sich links und rechts davon eingestellt haben.
Herausgegeben hat das Buch Mark Fisher, der als K-Punk einen der interessantesten Außenposten linker Bloggentsia betreibt. (Sein eigenes Manifest Capitalist Realism ist auch gerade erschienen, ich hatte aber noch keine Zeit zur Lektüre.) Die Beiträger sind eine eklektische, aber durchaus repräsentative Zusammenstellung aktueller poptheoretischer Positionen, wobei Fisher sowohl die Generation berücksichtigt hat, die Jacksons Durchbruch noch unmittelbar mitbekam, als auch jüngere Autoren, die schon ins Reich des Popkönigs hineingeboren wurden. (Leider ist mit Geeta Dayal nur eine weibliche Stimme dabei.)
Zahlreiche Beiträger sind selbst mit Blogs präsent, und einige der Texte waren dort in der ein oder anderen Form bereits unmittelbar nach Jacksons Tod erschienen, zum Beispiel Owen Hatherleys Porträt des Stalinisten in Jackson oder Evan Calder Williams‘ Abgleich der Ästhetik von Captain Eo mit der Metaphysik der NGOs. Dass diese Unmittelbarkeit und Spontaneität des Reflexes ebenso zu ihrem Recht kommt wie der Eklektizimus der theoretischen und thematischen Hintergründe, ist eine der Stärken dieses Buchs.
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