Auf dem Strategischen Bahndamm (a.k.a Der Rückriem-Trail)


Ulrich Rückriem, Sieben Scheiben

Die Anmerkungen zum ehemaligen Regierungsbunker im Ahrtal haben mich auf die Idee gebracht, hier mal wieder eine kleine Kunst- und Radtour einzustellen, ähnlich wie die Zumtour, die ich im vergangenen Jahr vorgestellt habe. Allerdings nicht im Ahrtal selbst, sondern einiges weiter nördlich, aber doch in unmittelbarem thematischem Zusammenhang: Es geht nämlich auf den Strategischen Bahndamm zwischen Rommerskirchen und Neuss. Peter Zumthor war Namensgeber der ersten Tour, diesmal ist es Ulrich Rückriem, aber dazu komme ich noch.

(Wer die Streckenerklärung überspringen möchte, kann gleich zur Beschreibung weiterspringen. GPS-Daten und Streckeninfos gibt es außerdem hier.)

„Strategischer Bahndamm“, mit diesem prosaischen Namen wird der letzte Rest eines großangelegten militärischen Projekts bezeichnet, das nie vollständig realisiert wurde: Eine Bahnlinie, die vom Ruhrgebiet ins Saarland und nach Lothringen führen und dabei die Hauptverkehrsachsen entlang des Rheins und der Mosel möglichst weiträumig umgehen sollte. Mit dem Bau wurde 1904 zwar begonnen, aber die Arbeiten zogen sich hin, wurden durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen und 1924 schließlich endgültig eingestellt.

Strategischer Bahndamm

In der Wikipedia gibt es einen recht ausführlichen Artikel über den Strategischen Bahndamm, dort wird auch beschrieben, wie weit die Bauarbeiten bis 1924 gediehen waren und was davon heute noch zu sehen ist. Überreste gibt es eigentlich nur noch in zwei Gegenden: Einmal im Ahrtal, wo zwischen Ahrweiler und Rech fünf Tunnel gesprengt wurden. Einige Portale sind noch sichtbar, zwei Tunnel wurden in den Bau des Regierungsbunkers einbezogen, bei Ahrweiler stehen außerdem noch ein paar einsame Brückenpfeiler eines nie gebauten Viadukts.

Strategischer Bahndamm

Vor allem gibt es aber noch die Trasse südlich von Neuss – genau gesagt: zwischen dem Neusser Stadtteil Helpenstein und Niederaußem -, den eigentlichen „Strategischen Bahndamm“. Nur zwischen Niederaußem und Rommerskirchen findet tatsächlich (Güter-)Bahnverkehr statt, die Strecke zwischen Rommerskirchen und Helpenstein ist dagegen, wenn man so will, eine 13 Kilometer lange Bauruine und Überbleibsel militärplanerischer Hybris. Ein Bahndamm, also ein aufgeschütteter Wall, ist die Strecke auch nicht durchgehend: Die Topographie bringt es mit sich, dass einige Abschnitte ebenerdig, andere durch einen Trog geführt werden.

Diese 13 Kilometer sind heute vor allem durch kleine Fuß- und Reitwege erschlossen, auf denen man auch ganz bequem radfahren kann, zumal so gut wie keine Höhenunterschiede zu bewältigen sind. Es gab wohl mal Überlegungen, die Strecke offiziell in einen Rad- und Wanderweg umzuwidmen, dazu ist es aber nicht gekommen. 2002 ließ man jedoch den Bildhauer Ulrich Rückriem entlang der Strecke einige Granitskulpturen aufstellen: Das war im Rahmen der EUROGA, einem der vielen Regionalprojekte, die natur- und denkmalschützerische Anliegen mit touristischen oder stadtentwicklerischen Themen zusammenbringen wollen. Der Bahndamm sollte zum „Kunstweg“ aufgewertet werden und als Bindeglied zwischen zwei Museumseinrichtungen fungieren, die an Start und Ziel der Strecke liegen: Dem Kulturzentrum Sinsteden (inklusive der „Skulpturen-Halle Ulrich Rückriem“) und der Museumsinsel Hombroich. Auf die Kunstwegsidee weist heute allerdings nichts mehr hin, es gibt weder Hinweisschilder noch erklärende Tafeln entlang der Strecke, und so scheint dieses Projekt in einer ähnlichen Versenkung verschwunden zu sein wie das Vorhaben des Strategischen Bahndamms selbst.

Ulrich Rückriem, Sieben Scheiben

Aber die Skulpturen Rückriems gibt es noch, sieben an der Zahl. Sie sind in unterschiedlichen Abständen entlang der Strecke aufgestellt, manche gut sichtbar, andere etwas versteckt zwischen Bäumen, die Suche nach ihnen kann man also zum Programm der Tour machen. Es sind typische Rückriems: Massive Granitquader, „horizontal in vier gleiche Teile gespalten und zu ihrer ursprünglichen Form wieder zusammengefügt“ und ohne Sockel zu drei Vierteln in den Boden eingelassen. Über die Aufstellungsorte gibt es einige Informationen in einem begleitenden Buch, das man mit etwas Glück noch beim Verlag Walther König bekommen kann. Die Aufstellung erfolgte demnach „nicht gleichmäßig in bestimmten Abständen, als ob sie die Wegstrecke vermessen wollten“, sondern nach unterschiedlichen Kriterien wie „baulichen Eigenarten der ausgewiesenen Stellen“ und der „biografischen Verbundheit [Rückriems] mit der Gegend, die der Bahndamm durchquert“.

Eine biografische Erklärung im engeren Sinn finde ich aber nur für den sechsten Stein auf der Höhe des Dorfes Helpenstein, „mit östlicher Blickrichtung auf das Schulhaus, in dem Ulrich Rückriem in seiner Jugend wohnte“. Die übrigen Steine markieren vor allem landschaftliche Gegebenheiten: Teilungen der Wege, Kreuzungen von Straßen, Rangierausbuchtungen. Aber handelt es sich tatsächlich um Markierungen, die der Orientierung dienen sollen, und nicht vielleicht eher, wie die Unfallkreuze entlang der Landstraßen, um stumme Mahnmale, die Schnittpunkte privater und öffentlicher Räume markieren? Wie dem auch sei, die schönste Positionierung hat zweifellos Stein Nummer zwei: Er steht an einer Stelle, wo der Bahndamm zu einem Hohlweg wird und links und rechts Blicke freigibt auf das hügelige Gelände, die landwirtschaftliche Parzellierung und die unausweichlichen Braunkohlekraftwerke der RWE.

Ulrich Rückriem, Sieben Scheiben

Zum Streckenverlauf: Startpunkt ist praktischerweise der Bahnhof Rommerskirchen, von Köln aus an der Linie nach Mönchengladbach. Den Bahndamm sieht man beim Aussteigen schon: Um ihn zu erreichen, fährt man vom Bahnhofsgebäude aus vor bis an die Hauptstraße, biegt dann aber gleich links ab und überquert den beschrankten Bahnübergang. (Die Hauptstraße ist nach einigen Metern für Radfahrer gesperrt.) Man folgt dem landwirtschaftlichen Sträßchen bis zur ersten Kreuzung, biegt links ab und fährt zwischen zwei Wällen des Damms durch: Die erste Aufstiegsmöglichkeit findet sich gleich in der linken Flanke des rechten Walls – leider nur eine steile Treppe. (Wer die nicht benutzen will, fährt auf dem Sträßchen weiter bis zur nächsten Kreuzung, biegt rechts ab und fährt auf einen weiteren Abschnitt des Dammes zu, der mit einer leichter zu befahrenden oder beschiebenden Rampe erklommen werden kann.)

Ulrich Rückriem, Sieben Scheiben

Von hier ab ist der Streckenverlauf weitgehend offensichtlich. Ab und zu muss man über weitere Rampen hinauf und hinunter, aber das sind die einzigen Höhenunterschiede, die es zu bewältigen gilt. Hier und da gabeln sich Fuss- und Reitwege, am besten hält man sich immer auf der linken Spur. Nach Überquerung der K33 bei Neukirchen führt ein markierter Wanderweg links am Wall entlang, auf den Damm kommt man hier über eine Rampe, die an der rechten Flanke hoch führt.

Der siebte Stein markiert eine Flussüberquerung: Hier fährt man auf einer Brücke über die Erft, der weitere Weg führt dann ausgeschildert weg von der Trasse (die ab hier nicht mehr passierbar ist) und durch die kleine Siedlung Minkel. Karte und GPS-Daten beinhalten noch einen kleinen Abstecher zur Museumsinsel Hombroich, deren Parkplatz man kurz vor der Landstraße L201 erreicht. Wer darauf verzichten will, hält sich an der L201 rechts und folgt der Beschilderung nach Neuss. Zielpunkt ist der S-Bahnhof Neuss-Süd.

Ulrich Rückriem, Sieben Scheiben

Die Beschaffenheit der Wege ist passabel und auch mit einem durchschnittlichen Stadtrad zu bewältigen, einige Stellen sind etwas schmal und gelegentlich können Reiterspuren die Strecke etwas ruppig machen. Trockenes Wetter empfiehlt sich für die Tour. Die gesamte Streckenlänge (einschließlich Abstecher nach Hombroich) beträgt knapp 21 km, mit zwei Stunden Fahrtzeit kommt man also gut hin.

Nicht berücksichtigt ist ein Abstecher zum Kulturzentrum Sinsteden nahe dem Startpunkt: Wer den noch einbauen möchte, um sich Rückriems Skulpturen-Halle anzuschauen, der kann folgende (m.W. beschilderte) Route nehmen: Vom Bahnhof aus vor zur Hauptstraße, hier rechts, dann an der nächsten Kreuzung gleich wieder rechts in den Steinbrink. An der darauffolgenden Kreuzung links in die Kastanienallee. An der zweiten Kreuzung rechts in die Gillbachstraße und dieser dann für etwa 1 km folgen. Das Kulturzentrum befindet sich am südöstlichen Ortsrand von Sinsteden, wenn man sich etwa auf seiner Höhe befindet, folgt man dem Sträßchen links ab und hält direkt darauf zu. Um von hier aus zum Strategischen Bahndamm zu kommen, fährt man zunächst auf dem Hinweg zurück. Kurz hinter dem Rommerskirchener Sportplatz geht es links in eine Straße, die zunächst die Bahnlinie überquert und anschließend direkt zum Bahndamm führt. Hin- und Rückweg sind gut noch mal eine halbe Stunde Fahrzeit extra.

Ulrich Rückriem, Sieben Scheiben

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert