Go Between Bridge. (Foto: Paul Guard, Quelle: Wikipedia.)
Die Go-Betweens gehörten in den späten Achtzigern, frühen Neunzigern zu meinen ganz großen Favoriten. Später, in den Jahren zwischen der Reunion und dem frühen Tod von Grant McLennan, habe ich nicht mehr sehr aufmerksam mitverfolgt, aber dass sie in dieser Phase immerhin ein wenig Mainstream-Anerkennung bekamen, fand ich nur gerecht.
Das Image der ewigen Underachiever, die eine bessere Welt bräuchten, um Stars werden zu können, sind sie allerdings nie so richtig losgeworden. Und so war ich doch sehr überrascht, zu lesen, dass es in Brisbane, der Heimatstadt von Forster und McLennan, inzwischen eine Brücke gibt, die den Namen der Band trägt. Und dass es sich dabei nicht nur um eine bedeutungslose Nebenbrücke in einem Randbezirk handelt, sondern um einen Flussübergang, der in der Verkehrsinfrastruktur eine wichtige Rolle spielen soll. Die Go Between Bridge ist – heisst es in der Wikipedia – die erste Innenstadtbrücke seit 40 Jahren, vierspurig ausgebaut und ausgelegt für etwa 12.000 Autos am Tag. Erfreulicherweise sieht sie sogar ganz ansprechend aus.
Damals, als die Band zu meinem privaten Pantheon gehörte, hätte ich sicher nicht gedacht, dass sie mal die Art von amtlicher Anerkennung bekommen könnte, die sich in der Benennung einer Straße oder einer Brücke ausdrückt. Heute finde ich das einerseits amüsant, aber es hat auch etwas leicht Irritierendes, weil es natürlich bedeutet, dass die Grenzlinien, die man mal zwischen sich und dem Teil der Welt zog, gegen den man Verbündete suchte, doch sehr fragil sind. „Ah, La Pérouse … C’est un nom connu. Il a sa rue“, bemerkt ein Protagonist bei Proust, als ein Name in die Runde geworfen wird. Was es als Straße gibt, ist gesellschaftlich und behördlich akkreditiert. Und das widerspricht natürlich der Ambivalenz, die das Fantum auszeichnet: Als echter Fan will man eigentlich gar nicht wirklich, dass die Bands oder Autoren, die man verehrt, den großen Durchbruch schafft, weil man dann auch einen Teil der Deutungs- und Auslegungshoheit aufgeben muss und der Name nicht mehr als Differenzierungsmerkmal funktioniert.
Als Teenager habe ich tatsächlich mal den Stadtplan einer fiktiven Metropole gemalt, in der ich einige Straßen und Plätze nach Musikern und Schriftstellern benannte, an denen mir was lag. Am meisten Spaß machte es natürlich, möglichst absurde und verquere Referenzen zu finden, die so weit wie möglich von jeder kanonisierten Kultur entfernt lagen. Es gab in meiner Stadt zum Beispiel eine Blixa-Bargeld-Brücke, weil ich gelesen hatte, dass die Einstürzenden Neubauten ihren Proberaum in einer Autobahnbrücke hatten … Wenn ich heute lesen würde, das an dieser Brücke eine entsprechende Gedenktafel angebracht wurde, fände ich das wohl nur noch mäßig bizarr.
Die Go-Betweens kannte ich damals noch nicht, sonst wären sie in meiner Stadt sicher auch vorgekommen. Vermutlich hätte ich aber keine Hauptverkehrsstraße nach ihnen benannt, sondern eher eine kleine Fußgängerbrücke, einen ruhigen und nicht besonders zentralen Seitenweg, von dem aus man auf den Fluss schauen und nachdenken kann über regnerische Frühlingstage, verpasste Chancen und Parties, von denen man zu spät weggegangen ist.
Angemessen wäre vielleicht auch ein Monument des Mißgeschicks, wie diese Brücke im sauerländischen Finnentrop. Die ist fast fertig und könnte auch gut gebraucht werden, als Entlastung für eine benachbarte Straßenkreuzung, an der sich zwei Hauptstraßen und ein Bahnübergang treffen und dementsprechend häufig Stau ist. Aber zur Fertigstellung müßte man die Bahnstrecke sperren, und weil die Bahn angeblich vergessen hat, betroffenen Subunternehmen rechzeitig Bescheid zu sagen und/oder die Route als Entlastung für andere Strecken braucht, an denen ebenfalls gebaut wird, geht hier erst mal nichts. Das wird vermutlich auch noch ein paar Jahre so weitergehen: Gut möglich, sagt man uns im Ort, dass die Brücke erst 2014 geöffnet wird, also dann, wenn auch die ersten routinemäßigen Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen.
Man könnte sie auch nach den Neubauten benennen („Alles nur künftige Ruinen/Material für die nächste Schicht“), aber dafür ist sie vielleicht nicht metropolitan genug. Mich würde aber doch interessieren, ob es im deutschsprachigen Raum schon ein ähnliches Beispiel gibt wie die Go Between Bridge, also einen öffentlichen Platz oder ein Gebäude, das nach Vertretern der Underground- oder Alternativ-Kultur benannt ist, wie sie, sagen wir, von Sounds oder Spex abgesteckt wurde. Vor einigen Jahren gab es in Köln mal eine Initiative für einen Christa-Päffgen-Platz, aber daraus wurde nichts.
Und auch etablierte Namen der Popkultur finden sich noch relativ selten. Berlin hat eine Frank-Zappa-Straße, Wien eine Falcogasse, Gronau einen Udo-Lindenberg-Platz, Elvis ist auch hier und da schon gewürdigt. Und in Oberhausen gibt es diese unspektakuläre, aber ganz angenehme Fläche mit Sportplätzen und Jugendzentrum, die aus mir unbekannten Gründen nach John Lennon benannt ist.
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