If this is paradise
I wish I had a lawnmower– Talking Heads, (Nothing But) Flowers
Seit Montag mäht sich Ralf Witthaus durch den inneren Grüngürtel in Köln: Vom Rheinpark in Deutz ausgehend will er mit seinem Team in etwa 30 Tagen einen drei Meter breiten Weg durch die innenstädtischen Parkanlagen fräsen, um „auf diese Weise den Grüngürtel als eine zusammenhängende Form, als einen Park sichtbar und erfahrbar“ zu machen. Es ist ein flüchtiges Kunstwerk, sozusagen ein sanft invasiver Eingriff in den urbanen Raum, denn nachgemäht wird nicht, und der Weg „wächst bereits während des Projektes in kürzester Zeit wieder zu“, so dass die ersten Abschnitte vermutlich schon wieder verschwunden sind, wenn Witthaus das Ende seiner Kölner Runde erreicht. Jedenfalls wenn das Wetter so wechselhaft bleibt wie im Moment.
Das Wetter bestimmt auch das Tempo der Aktion: Wenn es regnet, lässt sich nicht so gut mähen. Voraussichtlich zum 1. Oktober soll die Runde abgeschlossen sein und die rechtsrheinischen Fragmente des Grüngürtels erreichen, aber wenn es sein muss, dauert die Aktion auch länger. (Gestern konnte man außerdem sehen, dass die äußeren Umstände auch den Charakter des Weges bestimmen: Da war das Team an der Zoobrücke unterwegs, aber der dort gemähte Pfad ist, vielleicht aufgrund des regnerischen Wetters, nur eine schwache Spur verglichen mit den ersten beiden Abschnitten im Rheinpark und im Skulpturenpark.)
Witthaus hat den Rasenmäher schon häufiger als Zeichengerät eingesetzt: Vor einigen Jahren mähte er zum Beispiel in den Vorgebirgspark im Kölner Süden die Umrisse einer Autobahnauffahrt, die hier einmal gebaut werden sollte. Das Grüngürtel-Projekt ist aber wohl sein bisher aufwändigstes, was sich auch schon im Namen ausdrückt: Bundesrasenschau. Der Rheinpark, wo die aktuelle Aktion ihren Ausgang nahm, war 1957 schließlich auch Schauplatz einer der ersten Bundesgartenschauen.
Bundesschau hin oder her, die Grüngürtel – der innere und der äußere – sind natürlich vor allem für das urbane Selbstverständnis in Köln relevant: Eine leicht erreichbarer Erholungsraum, zudem die Umnutzung eines Areals, das zuvor vor allem durch seine militärische Funktion bestimmt war. Einen durchgehenden Ring haben allerdings weder der innere noch der äußere Grüngürtel jemals gebildet. Es gibt immer wieder Unterbrechungen durch Straßen und Gleiskörper, durch Wohn- und Gewerbebebauung, rechtsrheinisch ist er so gut wie gar nicht vorhanden.
Die „zusammenhängende Form“, die Witthaus sichtbar machen will, ist also im Grunde eine Schimäre. Sein Projekt scheint mir insofern eher vergleichbar mit den Wunschpfaden, den desire paths, die zahllose anonyme und unabsichtliche Landschaftsgestalter tagtäglich durchs Gelände bahnen. Eine alternative, intuitive, illusorische Route durch die Stadt, wobei der vorläufige Charakter ein Hinweis darauf ist, das auch städtische Räume vergänglich sein können und vielleicht nur so dauerhaft sind wie ihre Wahrnehmung.
Aber vielleicht bleibt die Aktion auch nicht so ephemer, wie Witthaus sie intendiert hat. Seine alternative Route ist jedenfalls, wie man gestern und vorgestern sehen konnte, von einigen Spaziergängern, Radfahrern und Joggern angenommen worden. Und es kommt ja immer wieder mal vor, dass Wunschpfade als offizielle Wege institutionalisiert werden. Wer weiß, vielleicht entwickelt sich auch aus Witthaus‘ Pfaden eine verbindende Spur durch die Stadt.
Schreiben Sie einen Kommentar