Eine späte Ergänzung zum Eintrag über den Strategischen Bahndamm, einem der interessantesten verlorenen Orte hier in der Region. Es gibt außer dem beschriebenen Streckenabschnitt zwischen Rommerskirchen und Neuss, wo die Rückriem-Skulpturen aufgestellt wurden, noch einige weitere Spuren dieses nie vollendeten Bahnprojekts. Westlich von Köln zum Beispiel: Hier sollte die Strategische Bahn über Trassen geführt werden, die von der Bergheimer Kreisbahn genutzt wurden, einer der vielen regionalen Bahngesellschaften, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts an Rhein und Ruhr entstanden.
Zwei Streckenabschnitte werden heute noch durch Bahnverkehr genutzt: Auf derm Abschnitt Rommerskirchen – Niederaußem fahren Güterzüge, auf dem Teilstück zwischen Bergheim und Horrem verkehrt heute die Erftbahn, ein Regionalzug der DB. Südwestlich von Horrem stößt man außerdem noch auf einen etwa 2,5 Kilometer langen und dicht bewachsenen Bahndamm und einige Brückenbauwerke: Hier sollte die Strategische Bahn die Strecke Köln – Aachen – Lüttich kreuzen und dann beim Dörfchen Mödrath auf die Trasse einer weiteren regionalen Bahngesellschaft stoßen, der Mödrath-Liblar-Brühler Eisenbahn. Mödrath ist längst durch den Braunkohle-Tagebau abgebaggert worden, ebenso die Streckenabschnitte Niederaußem – Bergheim und Mödrath – Liblar.
Südlich von Liblar wiederum wurde die Strategische Bahn weitgehend durch die Trasse der A61 überbaut, und man stößt erst kurz hinter der rheinland-pfälzischen Landesgrenze wieder auf Spuren des Streckenverlaufs. Interessanterweise an einem Abschnitt der Autobahn, der ebenfalls aus strategischen Gründen besonders angelegt wurde: Am Autobahnkreuz Meckenheim verläuft die Straße für gut 2 Kilometer schnurgerade, wird weder von Brücken noch Hochspannungsleitungen überquert und der Mittelstreifen ist nicht begrünt, sondern nur betoniert. Im Kriegsfall sollte die Autobahn nämlich als Behelfsflugplatz dienen können, und zwar als Flugplatz von ganz besonderer Bedeutung: Ein paar Kilometer südlich befand sich der Regierungsbunker, beziehungsweise – wie es offiziell hieß – der „Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes im Krisen- und Verteidigungsfall zur Wahrung von deren Funktionstüchtigkeit (AdVB)“.
Auf diese Bunkeranlage komme ich gleich noch einmal zurück, aber zunächst soll es wieder um die Strategische Bahn gehen: Deren Spuren tauchen nämlich quasi dort wieder auf, wo die Landebahn endet. Und von hier aus kann man dem geplanten Streckenverlauf – beziehungsweise dem, was davon gebaut wurde und erhalten geblieben ist – wieder ganz gut folgen. Hier begann auch das anspruchsvollste Teilstück der Strategischen Bahn, weil sie von der Hochfläche der sogenannten „Grafschaft“ in einem weiten Bogen ins 100 Meter tiefer gelegene Ahrtal geführt werden sollte. Um den Höhenunterschied zu bewältigen, mußten Bahndämme, Tröge, Brücken und Tunnel angelegt werden. Damit wurde auch um 1904 begonnen, aber wie beim Rommerskirchener Streckenabschnitt waren die Arbeiten bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht beendet und wurden nach Kriegsende nicht mehr aufgenommen. Von dem, was schon gebaut worden war, ist einiges stehen geblieben: Der Bau einer Bahnstrecke ist ein erheblicher Eingriff in die Landschaft, der nicht so schnell wieder verschwindet.
Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Spuren auch dieses Abschnitts der Strategischen Bahn zu einer kleinen Tour zu verbinden. Anders als die Route bei Rommerskirchen, die weitgehend eben verläuft, ist diese Tour mit knapp 26 Kilometern nur etwas für konditionsstarke Wanderer, zumal im Ahrtal auch ein paar Steigungen zu bewältigen sind. Die Strecke ist deshalb so lang, weil ich als Anfangs- und Endpunkte die nächstmöglichen Bahnhöfe gewählt habe. Das heißt allerdings, dass man vom Start der Tour in Meckenheim fast acht Kilometer zurücklegen muss, bevor man überhaupt auf die Strategische Bahn stößt. Wer einen besseren Ausgangspunkt kennt (z.B. eine Bushaltestelle in der Nähe der A61), kann das gerne in den Kommentaren vermerken. Die Tour kann auch mit einem geländegängigen Fahrrad absolviert werden, von einigen Schiebe- und Tragestrecken abgesehen kommt man ganz gut durch.
Startpunkt ist, wie gesagt, der Bahnhof in Meckenheim. Von dort aus geht es zunächst auf einem angenehmen Rad- und Fußweg entlang der Swist und, hinter der A565, über landwirtschaftliche Wege in Richtung A61, die südöstlich von Eckendorf erreicht wird. Die Autobahn wird über eine kleine Brücke überquert, ziemlich genau am südlichen Ende der Landebahn des Behelfsflugplatzes. Hier lässt sich nun auch die Spur der Strategischen Bahn aufnehmen, auch wenn von der Trasse nicht viel zu sehen ist: Ihr Verlauf entspricht dem kleinen landwirtschaftlichen Sträßchen, das von der Brücke aus entlang der Autobahn verläuft und nach einigen Metern in eine grasbewachsene Piste zwischen Büschen und Feldern übergeht. Die Autobahn schwenkt hier nach Osten ab, die Bahnstrecke verläuft jedoch schnurgerade weiter bis an den Ortsrand von Ringen. Kurz vor Ringen, etwa auf der Höhe eines Fisch- oder Klärteichs, müssen allerdings einige Felder und ein Schulgebäude umgangen werden.
Die Strategische Bahn findet man bezeichnenderweise in der Bahnhofstraße wieder: Zunächst als schmalen Fußweg, der hinter einem Supermarkt hindurchführt, und dann, nach Überquerung einer Landstraße und einem kurzen Treppenaufstieg, als schattiger Bahndamm. Nach etwa 500 Metern ist die Strecke allerdings erneut unterbrochen, zum einen durch die Grube Lantershofen und dann durch das Gelände eines privaten Verkehrsübungsplatzes. Beide Areale muss man in einem großen Bogen umgehen, in dem man vom Ende des Bahndamms zunächst ein paar Schritte auf dem parallel verlaufenden landwirtschaftlichen Weg zurück geht, beim ersten Bauernhof links abbiegt und nach etwa 400 Metern wiederum links über eine wenig befahrene Piste auf den Wald zu hält. (Dieser Abzweig ist nicht ganz einfach zu finden.)
Folgt man dieser gut sichtbaren, aber teilweise grasbewachsenen Piste durch den Wald, stößt man nach 500 Metern erneut auf die Bahnstrecke, direkt am südlichen Ende des Übungsplatzes und kurz bevor sich die Piste in einer Serpentine zu einer Wiese senkt. Für die nächsten 500 Meter folgt man einfach der gut erkennbaren Trasse, überquert fast unmerklich eine hohe Brücke und erreicht schließlich am Waldrand einen Punkt, wo die Bahnlinie im Trog weiterführen sollte. Dieser Trog ist mittlerweile dicht zugewuchert und unpassierbar, aber sowohl links als auch rechts davon verlaufen angenehme und leicht begehbare Wege. Hier beginnt der schönste Abschnitt der Route: Man hält sich zunächst auf der linken Seite des Trogs (da hat man die schönere Aussicht), passiert eine alte Brücke und wechselt dann wenig später auf die rechte Seite. Die Route im wesentlichen dem gut ausgeschilderten Rotweinwanderweg.
Schnell sind wir mitten in den Weinbergen. Die Bahnstrecke läuft immer parallel zu unserem Weg, meist erhöht auf einem Damm und oft mit Weinreben bepflanzt. Oberhalb von Ahrweiler passiert man eine kleine Kapelle mit einem Rastplatz, die beide direkt auf die Trasse gebaut wurden. Kurz dahinter das spektakulärste Überbleibsel der Bahn: Mächtige Pfeiler eines nie vollendeten Viadukts. Die Bahn sollte hier ein tief eingeschnittenes Tälchen überqueren und auf der gegenüberliegenden Seite im ersten von insgesamt fünf Tunneln verschwinden. Ohne Brücke sehen die massiven Pfeilerstümpfe reichlich bizarr aus, wie verlassene Wachtürme einer Felsenfestung aus einem Spionagethriller. Seit einigen Jahren werden sie als Kletterpark genutzt, und die Seilbrücken, die zwischen den Pfeilern gespannt sind, lassen sie noch kulissenhafter aussehen.
Wir gehen auf einem Treppenweg an einigen Pfeilerstümpfen entlang, halten uns dann rechts und erreichen eine Kreuzung, wo wir den links bergan führenden Weg nehmen. (Wer die Route hier unterbrechen möchte, kann aber auch talwärts zum Bahnhof von Ahrweiler gehen.) Kurz vor einem Aussichtspunkt mit Holzkreuz führt ein breiter Weg nach rechts: Hier erreicht man nach einigen Metern das Portal des Silberberg-Tunnels. Dort gibt es eine Aussichtsplattform, wo man sich die Brückenpfeiler von der anderen Seite begucken kann. Der Tunnel wurde im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker genutzt – örtliche Heimatkundler haben darum das Portal zu einer Gedenkstätte umgestaltet, in der die behelfsmäßige Einrichtung des Schutzraums nachgebaut wurde.
Von hier geht’s zurück zum Holzkreuz, und wieder weiter auf dem Rotweinwanderweg. Nach etwa anderthalb Kilometern erreicht man den Eingangsbereich des zweiten spektakulären Monuments auf unserer Route: Einen der Eingänge des ehemaligen Regierungsbunkers. Beim Bau dieser Anlage nutzte man die Vorarbeiten für die Strategische Bahn, indem einige Tunnel durch zusätzliche Stollen erweitert und zu einem unterirdischen Komplex ausgebaut wurden, der 3.000 Regierungsmitglieder und -mitarbeiter im Ernstfall unterbringen sollte. Die Lage des Unterschlupfs im schmalen und zerklüfteten Ahrtal hat tatsächlich etwas von der oben erwähnten Felsenfestung, aber das Bauwerk hätte einem atomaren Angriff kaum standgehalten: Die Sprengkraft einer Fünf-Megatonnen-Bombe hätte ausgereicht, „den Weinberg samt Bunker zu Staub zerblasen [und] alle Beteiligten als nuklearen Fallout über den Rhein“, zu verstreuen, spottet einestages.de.
Schon während des Zweiten Weltkriegs wurden die Tunnel übrigens für militärische Zwecke genutzt, nämlich als unterirdische Rüstungsfabriken, in denen Zwangsarbeiter unter anderem Einzelteile für die V2-Raketen zusammenschrauben mussten. Nach dem Ende des Kalten Krieges fand sich für den Bunker kein Verwendungszweck mehr, und auch kein Investor, der mit der unterirdischen Immobilie etwas hätte anfangen können. Die Anlagen wurden leergeräumt, zurückgebaut und größtenteils abgerissen. Ein kleiner Teil der Anlage wurde mittlerweile als Museum zugänglich gemacht und lohnt auf jeden Fall einen Besuch, und sei es nur, um sich ob der klaustrophobischen Enge und des morbiden 60er-Jahre-Chics der Bunkereinrichtungen dezent zu gruseln. (Nur am Wochenende geöffnet.)
Vom Regierungsbunker aus könnte man weiter auf dem Rotweinwanderweg bleiben, aber die Route finde ich hier etwas langweilig. Ein schönerer Weg führt über ein kleines Sträßchen, dass sich ein paar Schritte hinter dem Bunker bergauf windet und bald in einen breiten Waldweg übergeht. Immer dem breiten Weg folgen, bis man wieder ins Freie kommt und unterhalb eines Weinhangs einen Wanderparkplatz mit dem hübschen Namen „Bunte Kuh“ erreicht. Von dort geht es auf einem kleinen Sträßchen nach Westen bis zum Försterhof, einem Ausflugslokal, wo man wiederum dem Rotweinwanderweg folgt, der hier rechts abbiegt. Der Weg führt abwechselnd durch Wald und Weinberge, mit herrlichen Ausblicken ins Ahrtal. Nach etwa 3 Kilometern erreicht man oberhalb des Klosters Marienthal zwei weitere, mittlerweile verschweißte Eingangsbauwerke des Bunkerkomplexes, der hier durch einen Taleinschnitt in zwei Einheiten getrennt wurde. Gut auf die Beschilderung des Rotweinwanderweges achten, der direkt am gegenüberliegenden Hang wieder in die Weinberge führt.
Das westlichste Eingangsportal des Bunkers findet sich schließlich nach weiteren zwei Kilometern schöner Strecke, die sich wie die Tribüne eines Amphitheaters um den Ort Dernau legt. Hier gibt es, auf einer kleinen Brücke, die ganz offensichtlich für die Bahnstrecke gebaut wurde, auch wieder einen kleinen Rastplatz. Der Rotweinwanderweg führt hier knapp oberhalb von Dernau auf einem kleinen Asphaltsträßchen entlang. Man passiert den kurzen Sonderberg-Tunnel, der heute offenbar als Lagerhalle genutzt wird und unterquert mit dem Rotweinwanderweg die Kreisstraße 35, hält sich direkt hinter der Unterführung aber sofort links und folgt dem Weg, der parallel zur Straße verläuft.
Von der Strategischen Bahn ist hier nicht mehr viel zu sehen: Sie wäre hier quer durch das Wohngebiet unterhalb der Wanderroute verlaufen und weiter dort, wo der Steilhang hinter gemauerten Stützbauten dicht an den Wanderweg stößt. Beim Örtchen Rech sollte die Bahn außerdem wieder in einem Tunnel durch den Berg stoßen. Davon ist aber nicht mehr viel zu sehen, bis auf ein paar Befestigungsbauten hinter Rech, in einem (privaten) Weinberg, direkt neben dem Fuß- und Radweg, der vom Haltepunkt der Ahrtalbahn an den Gleisen entlang Richtung Mayschoß führt. Wo die B267 den Radweg kreuzt, sollte die Strategische Bahn schließlich auf die Ahrstrecke treffen, um dann im weiteren Verlauf via Trier Richtung Metz zu führen.
An dieser Stelle ließe sich auch die Tour entlang der Strategischen Bahn beenden: Bis zum Bahnhof in Mayschoß sind es nur noch ein paar hundert Meter.
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