Kaum zurück, und in Gedanken schon wieder auf Reisen. Schuld daran ist ein Reiseführer, den ich in London gefunden habe: Walking and Eating in Tuscany and Umbria hat genau die richtige Dicke und Form, um einen zum Überall-mit-Rumschleppen und Schmökern zu verleiten. (Der Schneider-Verlag hat seine Bücher mal mit dem Etikett handerotisch verkauft, hier würde ich’s sogar fast durchgehen lassen.)
Oberflächliches Herumblättern genügt, und schon sitzt man mitten in den „vineyards, olive groves and tiny hamlets“, die von den Autoren James Lasdun und Pia Davis im Vorwort heraufbeschworen werden. Aber wer würde nicht ins Schwärmen geraten an einem regnerischen Tag auf dem Flughafen London-Heathrow, wenn man sich das hier vorstellt:
having left Montalcino early in the morning, walked through the Brunello vineyards surrounding it, the rolling farmland beyond with its quiet little villages, and then crossed the wooden ridge overlooking the Starcia valley to find the lovely Romanesque abbey directly below you in its setting of olive groves and pastures full of white heifers.
Überhaupt scheint das Buch ein labour of love zu sein, das merkt man schon an der unausgewogenen Zusammenstellung der Wanderungen (vielleicht der einzige Kritikpunkt, den man finden kann): Fast alle befinden sich im Chianti oder rund um Montalcino, nur wenige im Norden, Osten oder Süden der Toskana. Aber das unterstreicht nur, dass Lasdun und Davis vor allem ihre persönlichen Wandererfahrungen haben einfließen lassen. Man merkt das auch an einigen kritischen Anmerkungen: So ist Umbrien mit nur drei Touren deutlich unterrepräsentiert, aber man habe „large parts […] especially difficult“ gefunden, schreiben die Autoren.
Though ravishingly beautiful, the landscape has been poorly served by lax zoning laws that in recent years have allowed development to sprawl unchecked. All around Perugia and Assisi, small ugly houses dot the countryside as though sprinkled from a giant salt-cellar, often as far as the eye can see.
Und eine Rundwanderung um San Gimignano, die in früheren Auflagen noch enthalten war, habe man gestrichen „after failing to find a way to rescue it from the various depressing new encroachments of ugliness brought about by mass tourism“. Das spricht für eine kritische und sorgfältige Recherche – vielleicht zu kritisch: Die Rundwanderung, die ich dort kenne, ist so schlecht nicht und hat auch ein paar sehr idyllische Nebenstrecken. (Und man könnte ja auch nörgeln, warum man ein Buch, in dem so vehement gegen den Massentourismus protestiert wird, dann beim massenkompatiblen Penguin-Verlag erscheinen läßt …)
Wie gut und praktisch die Tipps im einzelnen sind, darüber kann ich natürlich noch nichts sagen, das wird im September dem Feldversuch unterzogen. Aber die aktuelle Auflage ist von 2005, und Lasdun und Davis sind nach einigen Angaben fast alle Touren im letzten Jahr noch einmal abgegangen. Außerdem gibt es eine Website, auf der Leser des Buchs ihre Ergänzungen und Korrekturen beisteuern können.
Der erste Eindruck ist jedenfalls ein guter: Die Texte sind klar geschrieben, die Karten einfach, aber übersichtlich, die Informationen lesen sich knapp und präzise, und berücksichtigen auch wichtige Nebensächlichkeiten (wie z.B. gute Picknickplätze). Kleinigkeiten könnte man vielleicht noch verbessern (etwa die Nummer der jeweiligen Tour oben auf die Seite schreiben, damit man sich schneller im Buch zurecht finden kann).
Aber das wichtigste gelingt dem Buch mühelos, nämlich Appetit auf’s Wandern (und Essen) zu machen. Besser ist dann nur noch, die Touren selbst zu machen. Denn, wie Lasdun und Davis in anderem Zusammenhang (zum Vergleich von Bus- und Wandertourismus) schreiben: „The difference, as every walker knows, is something like that between being a spectator and being a participant.“
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