To be anonymous and travelling in an interesting place is an intoxication.
Dieses Buch hätte ich gerne ein bißchen früher entdeckt, vor meiner Reise nach England, aber auch so ist es ein Highlight: Paul Theroux’s The Kingdom By The Sea ist die Nacherzählung einer Wanderung-cum-Bahnfahrt rund um die englische Küste, gleichzeitig ein literarisches Abschreiten britischer Eigenheiten, Sitten und Gebräuche. Kaum ein Volk hat so viele Reisenschriftsteller hervorgebracht wie die Briten, sagt Theroux, aber selten hat sich der neugierige Blick nach innen gewandt: „They were like a tribe, but were secretive and inhospitable at home.“ Als Amerikaner nutzt er einen doppelten Vorteil: Von außen auf ein Land blicken zu können, dessen Sprache er versteht (auch wenn er sich immer wieder über die kuriosen Dialekte mokiert).
Und die Küste, sagt er, ist England in destillierter Form: In den kleinen „chalets“ (oder „shallys“), den Strandhäuschen der Pensionäre, findet er die „the intense preoccupation and the sort of all-excluding privacy that the English bring to everything they own“.
In England, proximity creates invisible barriers. Each shally seemd to stand alone, no one taking any notice of the activity next door. […] Each had its own English atmosphere of hectic calm […] – not creating any disturbance, nor encroaching on anyone else’s shally, and not sharing.
Es sind vor allem die Älteren, die er an der Küste trifft, was an der Jahreszeit liegen kann und daran, dass er sich an den Plätzen, wo jüngeres Volk sich rumtreibt, nicht lange bleibt („Brighton was full of disappointed and bad-tempered visitors“). Dort, wo er hinkommt („Camber Sands hat a nice rhythmical lilt; Bognor contained a lavatorial echo.“), sitzen die Alten am Strand in ihren Autos, starren auf die Strände und plaudern über bessere Zeiten. Es sind die Jahre von „this Falklands business“, als man aus Nostalgie in den Krieg zog, um nicht sehen zu müssen, dass der Thatcherismus ein neues, kälteres Zeitalter anbrechen ließ.
Über den Krieg wird wie über ein Cricket-Spiel berichtet, aber kaum jemand diskutiert mit Begeisterung darüber, und Theroux entgeht nicht, dass der britische Blick ähnlich verklärt ist wie das Panorama an einer nebelverhangenen Küste, oder er verniedlicht und läßt selbst Grausamkeit und Kriminalität als putziges folkloristisches Detail auftreten.
Few places on the Britisch coast did not claim to be the haunts of wreckers or mooncussers. The thievery was boasted about and romanticized until it seemed a kind of heroism. […] Smuggling was fun, smuggling was blameless, smuggling was British.
Theroux läßt sich von der Nostalgie ein wenig anstecken, wenn er immer wieder beklagt, dass die kleinen Bahnstrecken, die er nutzt, bald nicht mehr existieren werden. (Stattdessen gibt es heute ein chaotisches Netzwerk privatisierter Buslinien, so unübersichtlich, dass öffentliche Institutionen Dutzende Broschüren und Karten herausbringen müssen, um wenigstens etwas Überblick zu verschaffen.)
Den Fußpfad, der rund um die Küste führt, den gibt es aber heute immer noch:
Every part of the coast I had seen had had such a footpath. Usually it was a muddy twelve-inch path, with a brisk figure approaching in plus-fours and thick-soled shoes and a crackling plastic macintosh, and carrying a bag of sandwiches and an Ordnance Survey map. I imagined this person to be just another feature of the British coast, like the gun emplacements, and the iron piers, and the wooden groynes, and the continuous and circling footpath.
The Kingdom By The Sea ist auch ein Buch darüber, wie man selbst zum „feature“ einer Landschaft wird, und über das seltsame Außenseitertum, das man auf sich nimmt, wenn man alleine durch die Gegend marschiert.
All travellers are optimists, I thought. Travel itself is a sort of optimism in action. I always went along thinking: I’ll be all right, I’ll be interested, I’ll discover something, I won’t break a leg or get robbed, and at the end of the day I’ll find a nice old place to sleep. Everything is going to be fine, and even if it isn’t it will be worthy of note – worth leaving home for.
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