Birds & Be’s (and Chocolate Germans too)


Blog-Pause für die nächsten Tage, während ich mich auf den Weg zum Dach Europas mache. Darum schnell noch mal ein Rundumschlag über ein paar Dinge, die in den letzten Tagen hier in schwerer Rotation waren.

Antony & The Johnsons
I Am A Bird Now (Secretly Canadian CD)
Kein Song hat mich zuletzt so umgehauen wie „Hope There Is Someone“: Das ist die destillierte Angst vor der Einsamkeit. Antony ist der Marc Almond für unsere Tage: Eine Stimme, für die selbst eine Edith Piaf ihre absinthdurchtränkte Seele verkauft hätte. Und eine Detailversessenheit und Akribie in der musikalischen Umsetzung von Intimität, das einem fast schwindlig werden kann vor Begeisterung und Empathie. Existenzialistische Cabaret-Musik: Wer hätte gedacht, dass daraus die ergreifendste Musik zur Zeit werden kann? Wem hierbei nicht die Tränen kommen, der frißt auch kleine Kinder. Schnell entdecken, bevor das deutsche Feuilleton das hier kapert.

Death Sentence: PANDA!
Puppy, Kitty, Or Both (Upset The Rhythm 10″)
Wie nennt man das? Klarinettencore? Jedenfalls das wirksamste Gegenmittel zur perfekten Traurigkeit von Antony & The Johnsons: Euphorisierender Ein-Minuten-Noise-Pop, als ob Frank Zappa Napalm Death nachgespielt hätte.

No Bra
Munchausen EP (Muskel 12″)
Klingt wie eine Kreuzung aus DAF und dem ‚Four Yorkshiremen‘-Sketch von Monty Python nachspielen, findet mein Lieblings-Blog 20 Jazz Funk Greats. Zwei Vernissagen-Steher überbieten sich mit absurden Angebereien, während im „Most Mix“ dazu ein geiles White-Stripes-Riff über Italo-Disco-Beats tuckert. Schick. (Lieblingssatz: „Ethiopians are like Germans dipped in chocolate“.)

The Would Be’s
I’m Hardly Ever Wrong (Decoy 12″)
Das Schöne an den unzähligen MP3-Blogs ist, dass man auch obskurste Sachen wiederfinden kann. Wie diese vergessenen irischen John-Peel-Lieblinge, die Ende der Neunziger entdeckten, dass eine Posaune auch smart klingen kann. Über Burning World gibts die längst verschollene Debüt-EP wieder – ein schöner Singalong für trübe Sommertage.

Bark Psychosis
Codename: Dustsucker (Fire CD)
Liegt schon eine Weile hier rum, auch das eine verschollene Band, die nach einem grandiosen Album (Hex von ca. ’95) nie mehr gesehen wurde. Beim Comeback jetzt ist ein Ex-Talk-Talk-Mann dabei, aber das sagt überhaupt nichts über die Musik. Düstere, atmosphärische Soundtracks zu noch nicht gedrehten David-Lynch-Filmen, aber bevor zu sehr es in Angelo-Baddalamenti-Wohklang abdriftet, kracht eine rückkoppelnde Gitarre dazwischen.

Grabba Grabba Tape/That Fucking Tank
Split Single (Jealous/Obscene Baby Auction 7″)
Für alle, die den „Punk“ in Daft Punk vermissen, gibt’s Grabba Grabba Tape, zwei spanische Irre, die sich Plastikeimer und Klomatten (nein, nicht Klamotten) über den Kopf stülpen und mit Billig-Keyboards und Vocoder über alte Schoten von Minor Threat hermachen. That Fucking Tank nennen ihr Zeug „Disco Metal“, was klingt wie eine runtergedrehte Version der Ruins, oder wie Death Sentence: PANDA! (s.o.) ohne Klarinette. Funky Dilettantismus rules!

King Automatic
Automatic Ray (Voodoo Rhythm CD)
Noch so ein Spaßvogel, diesmal der Straßenmusiker aus der Hölle. King Automatic, gelernter Schlagzeuger, spielt alles mögliche, was er auf dem Flohmarkt an billigen Effektgeräten kriegen kann, und am liebsten alles auf einmal. Nebenbei wirft er die dreckigste denkbare Coverversion von „The Model“ raus. Groß.

Antifamily
Instructions EP (Website Antifamily.org)
Asja auf Capri
Novi Ronde (Difficult Fun)
Muss man zusammen erwähnen, weil beide Bands, wenn ich’s richtig verstehe, auch irgendwie zusammengehören – Asja ist wohl ein Seitenprojekt zur Antifamily. Musikalisch gibt’s da auch einige Ähnlichkeiten – früh-NDW-lastige elektronische Beats, spartanische Melodien, reduzierte Texte – , aber das schöne ist, wie sehr diese Musik bei aller Abstraktheit swingt. „Hoffmann“ von Asja ist ein heimlicher Hit: Ein textliches und musikalisches Stop&Go, von dem man nicht wirklich möchte, dass es aufhört: „Inbegriffen im Schäferstündchen/Keine Küsse/Kahle Bäume/Bäume rauschen/Tiefe Küsse/Keine Träume“. So schreibt man nur, wenn man tief durchatmen kann.

Eve Massacre
Nanananananaaa – Wanna Be The Man With The Child In Her Eyes (Website evemassacre.de
Ach ja, Bastard Pop ist ja so 2003, was? Aber hey, es gibt immer noch einige coole Leute da draußen, die schlicht ein gutes musikalisches Gespür haben und ein Ohr für Dinge, die verdammt gut zusammenpassen. Zu den amüsantesten und unterhaltsamsten gehört auf jeden Fall Eve Massacre: Wer Kate Bush dazu bringt, wirklich funky zu klingen, kann kein schlechter Mensch sein. Diese Mashups kicken wirklich ein paar Hinterteile über die Tanzfläche. Collect them all, die besten sind schon wieder unten (sonst hätt ich hier nämlich den brillianten Billy-Idol-/Temptaions-Mash „Papa Was A Rollin‘ Stone“ genannt).

That’s all for now, die nächsten News kommen aus 2.000 Meter Höhe. A bientôt.

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