Schönhuber und die Schufte


Eine Google-Recherche zur Kontroverse zwischen Karl Kraus und dem Publizisten Imre Békessy bringt auch ein Link auf die Website des Ex-Republikaners und Neu-NPD’lers Franz Schönhuber. Und da findet sich ein Lehrbuch-Beispiel zum Thema Ressentiment:

Unter dem Titel Volkszorn beschwert sich Schönhuber in einem Rundumschlag über Politiker, das politische System im Allgemeinen, und dann noch mal die Presse im Besonderen. Doof findet er z.B., dass sich die Bild-Zeitung über das „Caroline-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofes aufgeregt hat:

Über den Ahnherrn dieser Journalisten-Sorte schrieb einst der wortgewaltige und streitbare Wiener jüdische Schriftsteller Karl Kraus: „Hinaus aus Wien mit diesem Schuft!“ Gemeint war der aus Ungarn stammende, ebenfalls jüdische Skandal-Verleger Imre Bekessy.

In diesem Absatz steckt eine Perfidie: Sowohl Kraus als auch Békessy waren konvertiert, beide hatten ein äußerst komplexes und ambivalentes Verhältnis zum Judentum und in der Kontroverse ging es nicht im mindesten um Themen, die man mit irgendeinem Recht als „jüdisch“ bezeichnen könnte, sondern allein um dubiose Geschäftspraktiken Békessys. Schönhuber geht es ja, scheint’s, auch nur darum, sich über unsaubere Methoden im Journalismus zu beschweren. Warum legt er dennoch Wert darauf, die beiden Kontrahenten als „jüdisch“ und „ebenfalls jüdisch“ zu kennzeichnen? Vielleicht, rate ich mal, weil er auf etwas ganz anderes hinaus will? Der Abschnitt geht nämlich noch weiter:

[Békessy war] der Vater jenes „Hans Habe“, der nach 1945 als US-Major in Deutschland einzog und das Pressewesen nach amerikanischen Wünschen neu ordnete.

Die Gänsefüßchen um den Namen – das kennt man nun noch von der Bild-Zeitung, die zu Zeiten der seligen DDR ebenfalls nicht darauf verzichten wollte. Schönhuber hätte ja einfach schreiben können: „der Vater von Hans Habe“, aber so liest man: Seht her, dieser US-Major war so feige, dass er sich hinter einem Pseudonym versteckte.

Nun hatte Janos Békessy, der sich den Namen Hans Habe zulegte, zu seinem Vater ein mindestens ebenso komplexes Verhältnis wie der (und Karl Kraus) zum Judentum, und die Wahl des Pseudonyms ist wohl eher Ausdruck einer persönlichen Distanz. Aber solche Subtilitäten kümmern Schönhuber nicht: Denn es geht ja noch weiter im Text, und zwar mit einem Satz, der einfach Unfug behauptet:

Bekessy senior, von seinem Sohn assistiert, hatte sich in Wien mit Erpressungen, Lügen, Unterstellungen zur Geißel der dortigen Gesellschaft gemacht.

Da hätte der Sohn erstaunliches geleistet, denn als der Vater 1926 wegen der juristischen Nachstellungen aus Wien fliehen mußte, war Békessy junior gerade mal 15 Jahre alt. Habes Tätigkeit für die US-Armee steht nun auch in keinem Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen seinem Vater und Kraus. Was also will uns Schönhuber sagen, wenn er diese losen Enden aneinanderreiht? Das verrät er uns leider nicht:

Parallelen zu heute? Die mag jeder ziehen, wie er will.

Aber er läßt es damit nicht bewenden, sondern schreibt noch einen Zusatz, nämlich dass er sich wünscht, Boulevardjournalisten wanderten

in jenes Land aus, über das sie, durch Springer-Arbeitsvertrag verpflichtet, nur Gutes zu schreiben haben: Israel. Dort könnten sie endlich sinnvolle und ehrliche Arbeit verrichten, in einem Kibbuz. Ich schätze jene Einrichtung. So etwas könnten wir auch bei uns brauchen.

Das hat nun mit dem Vorangegangenen nicht mehr das Geringste zu tun, vor allem fragt man sich, warum Schönhuber ausgerechnet Israel einfällt, wenn es um das Auswandern von ihm mißliebigen Personen geht. Aber abgesehen davon, dass er wieder was durcheinander bringt – Kibbuzim sind schließlich keine moralischen Besserungsanstalten, in die man seine Gegner einfach so verschicken kann, sondern auf Freiwilligkeit (und oft auch sozialistischen Prinzipien) basierende Landkommunen -, geht es hier überhaupt noch um eine sinnvolle Argumentation zu irgendeinem nachvollziehbaren Thema?

Denn angestimmt wird da ein seltsames Wortgeklingel: jüdisch – Schuft – Presse – amerikanische Wünsche – Erpressungen und Lügen – Springer – nur Gutes schreiben – Israel – Kibbuz … nichts davon trägt irgendwas zur Kritik an schlechtem Journalismus bei, aber zusammengerührt gibt das eine Suppe mit äußerst ekligem Geschmack.

Parallelen? Die mag jeder ziehen, wie er will.

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Nachtrag: Noch ein weiteres Link führt zur Schönhuber-Website, nämlich zu einem Auszug aus seinem Buch Der missbrauchte Patriotismus: In einem Kapitel mit dem Titel „Die Juden gibt es nicht (Hervorhebung im Original) heißt es zu Michel Friedman:

Immer wenn ich Letzteren sehe, muss ich an den Satz denken, den der hervorragende Wiener jüdische Publizist und Pamphletist Karl Kraus dem ebenfalls jüdischen Skandal – und Boulevard-Journalisten Janos Bekessy [sic!] entgegen schleuderte: „Hinaus aus Wien mit diesem Schuft!“ Bekessy war der Vater von Hans Habe, dem ersten Chef der amerikanisch lizenzierten „Neuen Zeitung“.

Schönhuber „hält sich an Fakten“, heißt es im Klappentext. Namen gehören wohl nicht dazu. Und der Brei, den er daraus zusammenrührt, stinkt zum Himmel.

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