Wie weit reicht das Recht, über den eigenen Körper zu verfügen? Die Frage, die hinter der Diskussion um Sterbehilfe steht, wird derzeit auch noch in einem anderen Zusammenhang diskutiert: Gibt es ein Recht auf Amputation, auch dann wenn es gesunde Gliedmaßen betrifft? In deutschen Medizin- und Psychiatrieforen (hier zum Beispiel) kursiert das Schreiben eines Mannes, der um eine Durchtrennung des Rückenmarks bittet, weil das „Leben als Paraplegiker meine Identität“ sei. Die Süddeutsche berichtet darüber und erwähnt einige Fälle, in denen Ärzte schon auf Bitten von Patienten und aus rein kosmetischen Gründen Körperteile entfernt haben, und an der Ruhr-Universität Bochum soll diese Frage aus medizinethischen Gesichtspunkten diskutiert werden.
In den USA gibt es bereits eine heftige Debatte darüber, ob es sich bei dem paradoxen Gefühl, ein vollständiger Körper sei verantwortlich für eine unvollständige Identität, tatsächlich um ein Krankheitsbild handelt, und ob man weiter einer solchen Krankheit dadurch helfen kann, indem man das störende Objekt einfach entfernt. Einen Namen gibt es jedenfalls dafür: Body Integrity Identity Disorder (BIID) heißt das dann, es gibt, wie es scheint, auch schon Selbshilfegruppen, zumindest eine Website (die allerdings momentan nicht zu erreichen ist), und sogar im Mainstream-Fernsehen, nämlich in einer Folge von Nip/Tuck ist das Thema schon angekommen, und demnächst werden die ersten „Fälle“ sicher auch in den einschlägigen Talkshows aufmarschieren.
Darf die Manipulation des eigenen Körpers auch destruktiv sein? Ist es eine Körperverletzung, wenn man gezwungen ist, mit einem ungeliebten Körperteil zu leben, auch wenn es gesund ist? Wie weit darf der Rückzug auf das Recht, über den eigenen Körper verfügen zu dürfen, gehen, wann muß ich berücksichtigen, dass jeder Eingriff, den ich an mir selbst vornehme, auch Konsequenzen für die Menschen um mich herum haben wird? Es ist hier nicht der Platz, die ganzen Aspekte anzusprechen, die eine solche Debatte berührt, aber Alexander Kissler gibt im SZ-Artikel einen Hinweis:
Die Sehnsucht nach Verstümmelung […] ist ein Sonderfall und dennoch ein Symptom: Der Mensch und sein Körper werden gänzlich neu vermessen.
Nachtrag: Im Blog Neues aus Budapest gibt es einen Beitrag mit weiteren Links. Das Link aufs Zentrum für medizinische Ethikhatte ich gestern vergessen und hole es hiermit nach. Die in der SZ erwähnte Veranstaltung habe ich dort allerdings nicht eindeutig identifizieren können. Möglicherweise ging es um dieses Forum zur „wunscherfüllenden Medizin“, das allerdings nicht von Bochum aus veranstaltet wurde. In der Ankündigung und in einem Artikel im Deutschen Ärzteblatt über die Veranstaltung taucht der Begriff BIID auch nicht auf, es gibt aber ein paar Andeutungen zum größeren Zusammenhang, in dem diese Diskussion steht. Auf der Website der Akademie für Ethik in der Medizin gibt es weitere Veranstaltungshinweise.
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