Römische Grüße


In Italien braucht man zur Zeit starke Nerven, wenn man zu einem Fußballspiel geht. Vor allem dann, wenn Lazio spielt. Die Fankurve von Lazio (das Team, in dem Mussolini Mitglied war) ist fest in der Hand rechtsradikaler Gruppierungen, und Lazio hat den Spieler Paolo Di Canio, der aus seinen politischen Sympathien keinen Hehl macht. Di Canio trägt ein Tattoo mit der Inschrift Dux und grüßt die eigenen Fans gerne mit dem römischen Gruß. So zum Beispiel am letzten Sonntag.

Da spielte Lazio in Livorno, und das ist nie ein Spiel wie jedes andere. Denn Lazio gegen Livorno, das ist immer das Aufeinandertreffen der gegensätzlichsten Welten im italienischen Fußball. Livorno ist ein Team der Linken, und in den Reihen von Livorno spielt Di Canios Antipode, Cristiano Lucarelli, ein bekennender Kommunist und Che-Guevara-Fan, außerdem in der vergangenen Saison Torschützenkönig der Serie A.

Mit seiner stramm linken Fan-Basis hat Livorno im Moment fast den Status eines gallischen Dorfes, denn andere traditionell eher linke Teams wie die Roma oder Inter werden mehr und mehr von rechtsradikalen Fans unterwandert. Lazio-Fans kennen eh schon seit langem keine Schamgrenze mehr und machen regelmäßig durch die geschmacklosesten Transparente und Fahnen auf sich aufmerksam. Vielleicht war das der Grund, warum Di Canio es für opportun hielt, nach seiner Auswechslung in die Gästekurve zu marschieren und die Lazio-Fans mit dem ausgestreckten rechten Arm zu begrüßen.

Dass das in Italien immerhin noch für Aufregung sorgt, ist einigermaßen tröstlich. Aber die Dreistigkeit, mit der Di Canio seine Geste verteidigt, sagt einiges aus über das italienische Fußballmilieu. Das sei ein ganz normaler Gruß und eine Geste der Verbundenheit mit seinen Leuten, gab Di Canio zu Protokoll. (Er benutzte sogar das Wort popolo.)

Ich habe meinen Fans gesagt, dass wir gewinnen. Denn wir sind immer die Sieger. Ich bin so und ich bleibe so, da könnt ihr meine Hand ins Feuer legen.

Bei soviel Pathos will auch Lazios Präsident Claudio Lotito den ganzen Wirbel nicht verstehen: „Ist es nicht genauso politisch, wenn die Fans von Livorno Bandiera rossa singen?“, maulte er. „Warum redet ihr nie über Lucarelli?“

Das ist eine hanebüchene Retourkutsche. Im letzten Jahr, als Di Canio schon einmal wegen eines römischen Grußes, damals beim Derby gegen den Lokalrivalen Roma, eine Geldstrafe vom Fußballverband erhielt, bestrafte der nämlich Lucarelli gleich mit, wohl aus Angst, man könnte die Bestrafung Di Canios für eine Parteinahme halten. Lucarelli hatte in einem Spiel ein Tor mit der geballten Faust gefeiert. Die Geldstrafe dafür fiel höher aus als das, was Di Canio berappen mußte, und das, obwohl die geballte Faust in Italien nicht verboten ist, der römische Gruß aber sehr wohl.

Damals gab sich Di Canio ähnlich uneinsichtig: Der Gruß stamme aus der römischen Geschichte, und auf die sei er stolz, ließ er damals verlauten. Für soviel Lokalpatriotismus gab es Applaus sogar von Alessandra Mussolini, die bei Di Canios Geste Tränen der Rührung geweint haben wollte.

Di Canio spielte mal eine Zeit lang in England. Da gewann er sogar einen Fair-Play-Preis. Das war aber kurz bevor er bei West Ham einen israelischen Mannschaftskameraden verprügelte. Am Sonntag nutzte die Siegesgewißheit übrigens nichts: Livorno gewann mit 2:1.

Zum Thema gab es in diesem Jahr auch zwei Artikel in der Zeit, einmal über die Lazio-Ultras, zum anderen über Lucarelli.

Nachtrag (20.12.): Auch an diesem Wochenende, beim Spiel gegen Juventus, hat Di Canio den Lazio-Fans mit dem römischen Gruß salutiert. Für die Geste beim Livorno-Spiel ist er mittlerweile vom italienischen Fußballverband mit einer Strafe belegt worden: Ein Spiel Sperre und 10.000 Euro, den gleichen Betrag muß auch Lazio noch mal berappen. FIFA-Präsident Josef Blatter hat in der vergangenen Woche auch damit gedroht, Di Canio und eventuell sogar Lazio von internationalen Wettbewerben auszuschließen.

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