Vom 26. bis zum 29. Januar veranstaltet die Kölner Stiftung Kunstsalon ein Festival unter dem Titel Musik in den Häusern der Stadt. Dagegen ist ja nichts einzuwenden, einiges aber gegen den blühenden Blödsinn, den die Veranstalter im Programmheft verzapfen:
Vor 60 Jahren war Deutschland auch musikalisch verwüstet. Komponisten, Texter und Interpreten waren gequält, ermordet und vertrieben worden, zahllose Lieder durch braunes Gegröle diskreditiert. Seitdem hat es das „Heimische Liedgut“ schwer hierzulande.
Wie schwer es deutsches Liedgut seither hatte, das kann man in den Filmen der Nachkriegsjahre sehen, oder in einschlägigen Chartslexika, die man den Verfassern am liebsten um die Ohren hauen möchte für diesen letzten Satz. Natürlich wird diese Behauptung einfach nur so dahingeraunt, ohne zu erklären, wer oder was, bitte schön, es denn den deutschen Liedern so schwer macht?
Was hier unter der Hand kolportiert wird, ist die absurde Fabel, dass es sich bei „deutscher“ Musik (was immer man darunter verstehen mag) um eine bedrohte Spezies handele, eine Kolportage, die ihren Nadir in Heinz-Rudolf Kunzes Schwadronieren von einem „Genozid an der deutschen Rockmusik“ erreicht hat. So erledigt man das schlechte Gewissen gegenüber den wirklichen Opfern des nationalsozialistischen Genozids: Indem man sich einfach selbst zum Opfer stilisiert.
Die Dreistigkeit, mit der die von den Nazis Ermordeten immer wieder zur Rechtfertigung der Schreibschwierigkeiten einiger neudeutscher Halbpoeten und Kleinliedermacher herangezerrt werden, ist schlicht ekelhaft. Und wenn der an sich banale Umstand, dass Musiker aus Deutschland Texte in deutscher Sprache schreiben, zu einer neuen nationalen Sammlungsbewegung hochgejazzt werden soll, wird es richtig peinlich:
Doch es tut sich was: Deutscher Hip-Hop, deutsche Rocksongs sind schon längst wieder en vogue, auch Jazzer entdecken den alten Liederkranz neu und nehmen ihn als German Songbook in ihr Repertoire auf, poppige A-cappella Gruppen mit deutschem Zungenschlag erfreuen sich größter Beliebtheit und junge Musiker schreiben mit spitzer Feder treffsichere und aktuelle Chansons in der besten Tradition der Zwanziger Jahre.
Sorum wird ein Eroberungsfeldzug draus, und falls jemand noch die vage Hoffnung haben sollte, dass eine multikulturelle Kultur die Chance bieten könnte, sich endlich von nationalisierenden Umklammerungen zu lösen, dann wird ihm hier klipp und klar bedeutet, dass uns heute die deutschen Texte gehören und morgen die ganze Musik. Traurig ist das, weil es die Veranstalter vom Kunstsalon gar nicht nötig gehabt hätten, ihr Festival mit diesem deutschtümelnden Weihrauch einzunebeln: Die Zusammenstellung des Programms ist eigentlich ein schöner Beweis dafür, dass es in der aktuellen Musik viel spannendere und interessantere Dinge zu hören und zu tun gibt, als an neunationalen Weltbildern zu zimmern. Aber das ist eben auch eine traurige Realität im neuen Deutschland, dass kulturelle Sachbearbeiter so gerne die lautesten Erweckungspropheten sein wollen.
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