Lecce


Lecce

Es ist heiss geworden in Apulien, endlich. Ich sitze in einem Tabacchi in Lecce, gegenüber der Fassade von Santa Croce, einem unglaublichen, barocken Karneval aus Stein, und aus dem Lautsprecher kommt die Melodie der deutschen Nationalhymne. Eigentlich handelt es sich wohl um eine CD mit den Greatest Hits der Klassik, und was grad läft, ist einfach der zweite Satz von Haydns Kaiserquartett (und siehe da, der Türkische Marsch kommt gleich hinterdrein).

Die Stadt leuchtet, die honigfarbenen Sandsteinfassaden werfen die Sonne so gleißend zurück, dass einem die Augen fast weh tun. Es ist Feiertag heute in Italien, Tag der Befreiung, festa della liberazione, und fast feiert man das auch als eine Befreiung von dem lästigen und albernen Hickhack um das Ergebnis der Wahl. Berlusconi ist fast schon Vergangenheit, endlich, und in einer Stadt, in der man Zeit ohnehin als extrem elastischen Begriff definiert, ist das eine fabelhafte Gelegenheit, durch die Straßen zu schlendern, con calma, non si ha fretta, hier und da mit Freunden zu plaudern, tutt‘ a postu? – bo‘, si, tutt’appustissimu – und dann in einem Café an der Piazza Sant‘ Oronzo den obligatorischen Capuccino zu nehmen.

Sant’Oronzo ist ein von den Faschisten geradezu exemplarisch verunstalteter Platz, so als wollten sie im Nachhinein demonstrieren, dass die Befreiung des 25. April auch eine vom schlechten und monströsen Geschmack war. Heute kann man sich in Lecce wieder in Ruhe der Liebe zum Detail widmen, gelassen an den verfallenden Sandsteinfassaden frickeln und die wimmelnden Ornamente gegen den atemberaubenden klaren und wolkenlosen Himmel setzen: Die Sonne ist hier so hart wie das Leben, und der Stein so weich wie die Träme. Es ist ein schöner Sommertag mitten in einem nahezu perfekten Frühjahr.

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