Es gibt sicherlich heute keinen Rennfahrer, der heute mehr Respekt verdient hat als da vorne Floyd Landis.
– Rolf Aldag am 20.7.2006
So überraschend wie jetzt alle tun, ist der Fall Landis natürlich nicht. Man muss ja nur mal zurückblättern in der Berichterstattung und dann sieht man schnell, wie bemüht viele in der Radsport-Szene waren, den unglaublichen Ausreißversuch auf der 17. Etappe als etwas darzustellen, was durchaus im Rahmen des Möglichen sei. Das laute Entsetzen ist wohl auch darum so gross, weil das Doping-Delikt, dass da aufgeflogen zu sein scheint, so blöd klingt. Testosteron? Sollte Landis im Ernst geglaubt haben, mit sowas durchzukommen?
Im Nachhinein könnte man nun auch noch über die übrigen Etappen spekulieren, das vorsichtige Taktieren, den bewußt kalkulierten Verlust des gelben Trikots und den seltsamen Kompletteinbruch auf Etappe 16. Bei allen Spekulationen müßte dann aber auffallen, dass es immer schwieriger ist, an den Mythen festzuhalten, die der Sport braucht, weil er dazu zu nahe an die Realität heranrückt. Radsportlern (und Leistungssportlern überhaupt) wird zur Zeit mit dem gleichen grundsätzlichen Mißtrauen begegnet wie Politikern. Und trotzdem werden beide vom Straßenrand aus beklatscht, wo immer sie auftauchen.
Bei all den rhetorischen Nebelkerzen, die jetzt geworfen werden, ist es auch ganz interessant, zu sehen, welche Nebenschauplätze sich so auftun. Ganz interessant zum Beispiel, wie bei der ARD das Ringen um die Deutungshoheit zum Thema Doping verläuft. Wann immer Hajo Seppelt einen investigativen Beitrag machen darf, kann man sicher sein, dass nur kurz darauf sein vermeintlicher Intimfeind Hagen Boßdorf mit einem Kommentar nachlegt. Beim ZDF will Chefredakteur Nikolaus Brender dagegen gar keine Tour mehr zeigen: „Wir haben einen Fernsehvertrag über eine Sportveranstaltung und nicht über eine Pharma-Leistungsschau abgeschlossen.“ Wobei Brender vielleicht nicht so sehr die Leistungsschau an sich ärgert, das kann man beim ZDF ja öfter haben, sondern dass man kein Geld dafür gesehen hat.
Bei all den Rufen um rechtliche Konsequenzen und staatliches Eingreifen ist mir aber nicht klar, wie die juristische Konstruktion aussehen soll. Frankreich, Italien und Spanien werden immer als Vorbilder erwähnt, aber da gibt es ja durchaus unterschiedliche Ansätze, und auch die Erfolge sind sehr unterschiedlich. Aussichtsreicher scheint mir da eher ein Ansatz, der vor Jahren mal in der Ärztezeitung erwähnt wurde, von dem ich gerne mal wüßte, wie weit der diskutiert worden ist.
Um zu verhindern, daß neue Mittel heimlich genommen werden, wodurch sich der Athlet einen Vorteil gegenüber seinen Mitkonkurrenten verschafft, sollte es obligatorisch gemacht werden, daß bei den üblichen Doping-Kontrollen alle Medikamente, die in einem bestimmten Zeitraum vor der Kontrolle eingenommen wurden, aufgelistet werden. Wem nachgewiesen wird, daß er ein Mittel – welches nicht auf der Doping-Liste steht – eingenommen hat, das er aber nicht aufgelistet hat, dem wird unlauterter Wettbewerb unterstellt und er wird wie bei einem „echten Doping“ bestraft.
Das funktioniert natürlich nur mit Methoden und Mitteln, die auch tatsächlich nachweisbar sind, aber die Grundidee, eine völlige Transparenz einzuführen, finde ich nicht schlecht. Ein dopender Sportler will sein Tun ja nicht nur vor den Fahndern verheimlichen, sondern auch vor der Konkurrenz.
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