Mourad Akhay


Florenz

Mourad Akhay ist einer von denen, über die die Touristen in Florenz gerne schimpfen: Ein fliegender Händler, einer, der mit gefälschten Sonnenbrillen oder billigen Kunstdrucken mit der Ponte Vecchio drauf durch die Gegend läuft und dessen gewisperte Aufforderungen zum Kauf als aufdringlicher empfunden werden als die Neonreklamen und Werbeplakate an den historischen Gebäuden. Mourad ist einer von denen, die die photogene Szenerie auf dem Domplatz oder vor Santa Croce verderben für die Touristen, weil ihre Anwesenheit sie daran erinnert, dass es Menschen gibt, die nicht ganz freiwillig hier sind, und die wiederum für andere sorgen müssen, die gar nicht hier sein können und vermutlich nie eine Chance haben werden, zu erfahren, was das ist: Florenz, der Domplatz, Ponte Vecchio. Einer von denen, die illegal hier sind und so lange herumlaufen und sich von den Touristen anmaulen lassen müssen, bis das Geld abgearbeitet ist, dass sie für den Transfer in dieses Land bezahlt haben.

Einmal allerdings war Mourad Akhay ein Held, auch für die Touristen in Florenz, jedenfalls für die, die seine Geschichte mitbekommen haben. Im Dezember 2005 sprang er in den eiskalten Arno, als ein Junge im Wasser trieb. Der Junge sei „geistig gestört“ gewesen, heißt es, vielleicht konnte er auch einfach nicht schwimmen: Mourad hat ihn jedenfalls herausgezogen, und dafür hat man ihn gelobt und beglückwünscht, zum ersten Mal, seit er in Italien angekommen war. Sogar der Bürgermeister von Florenz war beeindruckt von der Rettungstat, wahrscheinlich auch deshalb, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass jemand freiwillig in die trübe Brühe sprang, die da durch seine Stadt fließt.

Leonardo Domenici heißt der Bürgermeister, er hat mal Moralphilosophie studiert (was er auf seiner Website auch erzählt), er war Vorsitzender der Jungen Kommunisten (was er nicht erzählt) und leitet eine Mitte-Links-Regierung. Auch ein linker Bürgermeister spielt ab und zu gerne den Lokalfürsten, und als Domenici die Geschichte von Mourad Akhay hörte, ließ er den Händler zu sich kommen und fragte ihn nach seinem größten Wunsch. Vielleicht hatte er gehofft, Akhay würde sich etwas Nachvollziehbares wünschen, einen DVD-Player oder einen Plasmafernseher, irgendwas jedenfalls, das sich leicht besorgen und mit dem Namen des Sponsors in einer städtischen Pressemitteilung bekanntmachen ließ.

Aber Akhay hatte einen viel einfacheren Wunsch: Sein größter Wunsch war etwas ganz Banales, aber etwas, dessen Notwendigkeit er jeden Tag zu spüren bekam. Eine Aufenthaltserlaubnis wünschte er sich. Einen Stück Papier, mit dem er auf legalem Weg nach einer Arbeit suchen könnte. Und er wird gedacht haben, wenn der Bürgermeister mich sowas fragt, dann wird er auch Mittel und Wege haben, so ein Papier zu besorgen.

Ob Domenici tatsächlich versprochen hat, sich darum zu kümmern, weiß ich nicht. Akhay ist jedenfalls immer noch in Florenz. Er ist immer noch ein fliegender Händler, und immer noch darf er eigentlich nicht arbeiten. Vom Bürgermeister hat er nichts mehr gehört, auch nicht, als er ihm im März einen Brief geschrieben hat.

Eine andere Antwort hat die Stadt allerdings gegeben, für den Fall, dass noch mal jemand ins dreckige Arno-Wasser fällt. Dafür gibt es in der Nähe des Ponte Vecchio jetzt einen Hundezwinger, mit Neufundländern. Die können auch ins Wasser springen, und wenn sie jemanden dort herausziehen, wollen sie keine Aufenthaltsgenehmigung dafür bekommen. Und einen Neufundländer lassen sich Touristen auch lieber gefallen als einen fliegenden Händler aus Marokko. Vielleicht kann man sie sogar fotografieren.

Via Beppe Grillo.

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