Wie ein riesiges, düsteres Kriegschiff liegt Gunkanjima im Meer, deswegen heisst sie auch so: Schlachtschiff-Insel bedeutet der japanische Name. Sie ist ein in Beton gegossenes Mahnmal für Aufstieg und Verfall einer ganzen Industrie, ein verödeter und vor sich hin gammelnder Themenpark kapitalistischer Hybris.
Von 1887 bis 1974 war Gunkanjima dauerhaft bewohnt. Rund um die Insel gab es reiche Kohlevorkommen, darum kaufte sie der Mitsubishi-Konzern und ließ dort Industrieanlagen und Wohnblocks errichten. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen müssen hart gewesen sein: Der Betonkomplexe, in denen die Arbeiter untergebracht werden, sind auf ein paar Felsen zusammengepfercht. Sie stehen eng nebeneinander und waren durch ein Netz von Treppen und Gängen verbunden.
In den Fünfziger Jahren, als über 5.000 Menschen auf der Insel lebten, lag die Bevölkerungsdichte im Wohnbezirk bei über 1.300 Einwohnern pro Hektar, das entspräche einer Dichte von über 80.000 Menschen pro Quadratkilometer: Ein höherer Wert ist scheinbar nirgendwo sonst registriert worden, auch nicht in den japanischen Schlafstädten, die sich auf den großen Inseln rund um die Metropolen gebildet haben.
Während des Kriegs waren unter den Einwohnern viele Zwangsarbeiter, vor allem aus Korea und China. Mehr als tausend sollen in diesen Jahren gestorben sein. Erst nach dem Krieg besserten sich die Lebensverhältnisse, Mitsubishi finanzierte soziale Einrichtungen und Spielplätze, und bei den Einwohnern entwickelte sich in dieser Zeit so etwas wie ein lokaler Patriotismus, man bepflanzte Balkone und Dachgärten und organisierte gemeinsam Veranstaltungen und Feste.
Lange hat das aber nicht vorgehalten. Als der Mitsubishi-Konzern im Januar 1974 die Schließung der Mine bekanntgab, dauerte es nur vier Monate, bis die Insel völlig entvölkert war. Ohne Mine war die Kommune nicht lebensfähig, Lebensmittel und Trinkwasser kamen vom Festland. Auf der Nachbarinsel gab es mal Pläne, Gunkanjima in ein Museum zu verwandeln und Schiffstouren dorthin anzubieten, daraus wurde aber nichts. Allenfalls taucht die Insel mal in Computerspielen auf. Der Zutritt ist offiziell verboten, die Bilder hier stammen vom Fotografen Saiga Yuji, der in den 1970er Jahren dort war und den Verfall der Insel beobachtet hat. Inzwischen thronen die Betontrümmer nur noch einsam über die Meeresoberfläche, wie eine moderne Version von Böcklins Toteninsel.
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