Würden Sie diesem Mann ihre Kinder anvertrauen?
Die kleine Tochter steht total auf Johnny Cash, erzählt mir ein Arbeitskollege. Das Video von „Hurt“ liebt sie heiß und innig, sagt er, und sie kann ganze Passagen von „I Won’t Back Down“ auswändig. Eher phonetisch als textgenau, aber immerhin. Ich als Vater wäre da wahrscheinlich stolz wie sonstwas und würde sofort nachschauen, ob es musikalische Früherziehung auch für Themen wie Seelengram, moralische Zweifel und Erlösung gibt.
Ich kann die Begeisterung der Kleinen gut nachvollziehen. Als ich sieben Jahre alt war, fand ich Cash auch schon magisch. Mein Vater hatte nur wenige Platten und Cassetten mit Country-Musik, aber die wollte ich immer wieder hören, und das lag vor allem an den Songs von Cash, die darauf waren. Mit dem Bluegrass-Gefiedel und den wimmernden Steel Guitars der anderen Songs konnte ich dagegen wenig anfangen. „Don’t Take Your Guns To Town“ war mein Favorit, das war auf einem dieser Fünfmarks-Sampler von Europa, und mit seinem seltsamen Wechsel zwischen dem trabenden Boom-Chika-Boom der Verse und der windverwehten Gitarre im Refrain klang es wunderbar mysteriös und geheimnisvoll. Da erzählt jemand von einer verlockenden Welt und raunt einem zugleich eine Warnung ins Ohr.
Aber vor allem war es natürlich die Stimme, klar: Cash war ja nie wirklich ein junger Musiker, immer klang er alt und weise, und bei aller Düsternis und Schwere immer väterlich und warm. Das ist ein Mann, dem kann man sich anvertrauen, sagt diese Stimme. Der hat die Welt gesehen und kann davon erzählen, und wenn es sein muß, erwürgt er die Monster unter Deinem Bett mit bloßen Händen. Cash ist der perfekte Soundtrack, wenn man die Erfahrung macht, dass es auch unheimliche Dinge gibt in der Welt, und wie eng Traurigsein und Fröhlichkeit miteinander verzahnt sind.
Wobei: Von den Texten verstand ich natürlich nichts, außer dass es bei „(Ghost) Riders In The Sky“ irgendwie um Gespenster ging, also um so was wie Hui Buh. Ich glaube, wenn mir jemand gesagt hätte, dass Johnny Cash die singende Variante von Hans Paetsch wäre, hätte ich das ohne weiteres geglaubt.
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