Seit einigen Wochen muss man ja damit leben, dass Flickr einen liebt. Na gut, kann vorkommen. Es nervt nur, wenn sich diese Liebe öfter in Bevormundung äußert, wie bei Eltern, die ihren ungebärdigen Bälgern endlich mal Manieren beibringen wollen.
Ich nutze Flickr. Das hat ein paar praktische Gründe, weil es da einige Funktionen gab, die ich ganz nützlich fand. Im Moment ist man aber eher dabei, das Praktische breitflächiges Nerven zu ersetzen.
Dass Flickr auch früher schon mal Dinge gemacht hat, die ärgerlich oder rätselhaft waren – wie zum Beispiel Bilder oder ganze Accounts zu löschen – ist nichts Neues. Das Bedenkliche daran sind nicht nur diese Maßnahmen, sondern dass es das Unternehmen selten für nötig hält, solche Entscheidungen zu erklären. Ich könnte ja sogar Verständnis aufbringen, dass eine Firma, die bei Verstößen gegen rechtliche Vorschriften eventuell mithaften müßte, sich Vorbehalte gegen den Mißbrauch ihres Angebotes ausbedingt. Angeboten werden dann aber fast imme nur nebulöse Statements wie dieses hier:
Currently, switching the SafeSearch function off is not available for German members. It is a really complex situation — we have been in deliberation on this for a while, and we had to make the decision whether or not to leave Germany and the German language out of the international launch.
The decision came down to the wire, but we decided to include Germany. We’re still hoping that that was the right decision. It definitely was not a decision that was made lightly and there is no intention to annoy, frustrate or inconvenience Flickr members in Germany. Rest assured, we do hear you loud and clearly (painfully loud, even) and are doing our best. We hope to have more to say soon.
Das ist zum Beispiel die Begründung eines Flickr-Mitarbeiters dafür, warum für deutsche Flickr-Nutzer (oder genauer: Nutzer, die sich bei Flickr mit einer „deutschen Yahoo-ID“ angemeldet haben) eine Funktion nicht abzustellen ist, nämlich die sogenannte „Sichere Suche“. Die nimmt bei einer Suche in den Bildern von Flickr eine Filterung vor, so dass nur Bilder angezeigt werden, die als „sicher“ gelten.
Was sicher heißt, erklärt Flickr lapidar so: „Content suitable for a global, public audience“. (Diese Erklärung fehlt auf der deutschen Version der Hilfe-Seite übrigens.) Aber was heißt jetzt „suitable for a global audience“? Bilder, die anderswo nicht als anstößig, verletzend, beleidigend etc. etc. empfunden werden können? Oder vielleicht auch nur als zu albern, zu unterbelichtet oder zu verwackelt? So genau weiß man das nicht. Trotzdem muss man das irgendwie selbst entscheiden, und dann schaut aber Flickr auch noch mal drauf, und irgendwie bekommt man dann sowas hier in seinem Konto angezeigt:
Ihr Account wurde von Flickr Mitarbeitern als sicher eingestuft.
Sieh an. Was das genau bedeutet, das muss man auch wieder auf der englischen Hilfe-Seite nachlesen:
Having a „safe“ account means that you are good at moderating your own content. Awesome!
Danke für die Blumen. Nun ist mir das eigentlich auch ziemlich wurst, was man bei Flickr über meine Bilder denkt. Was mich aber nervt, ist die implizite Bevormundung, die hier zutage tritt: Dass meine Bilder einer Bewertung unterzogen werden, die ich nicht eingefordert habe und nicht überprüfen kann, die aber Folgen für das hat, was mit meinen Bildern passiert. Die implizite Aufforderung, sich gefälligst „good“ zu benehmen und darauf zu achten, dass meine Bilder diesen Kriterien genügen oder Sanktionen in Kauf zu nehmen. Ohne dass ich weiß, worauf genau ich zu achten hätte, wenn ich’s denn wollte.
Warum ich als Nutzer aus Deutschland nur Bilder sehen soll, die nach solchen vagen Kriterien ausgefiltert werden, wird ja, siehe oben, auch nicht wirklich erklärt. Man war „in deliberation on this for a while“, hat es aber nicht für nötig gehalten, die Nutzer in diese „deliberation“ einzubeziehen? Oder ein bißchen genauer zu schildern, was die Ergebnisse dieser Diskussionen waren? Man „hofft“, „that that was the right decision“, aber weiß es irgendwie doch nicht so genau? (Wäre es gerade dann nicht sinnvoll gewesen, die Nutzer einzubeziehen, vielleicht hätte man da jemand gefunden, der sich ein bißchen besser auskennt?) Und man „hofft“, bald mehr sagen zu können, weiß aber selbst das nicht wirklich? Was ist das denn für ein Unternehmen, dass fröhlich in alle Richtungen expandiert, aber irgendwie nicht so richtig Ahnung hat, was es da tut?
Stattdessen diskutieren die Nutzer, aber weitgehend ohne Beteiligung der Flickr-Mitarbeiter, die sich allenfalls mal zu kleinen technischen Problemen äußern, aber die umfassenderen Fragen geflissentlich ignorieren. Wer hätte gedacht, dass Helmut Kohl’sches Aussitzen in der Newest Economy wieder en vogue kommen könnte? Es scheint so, dass der Community-Aspekt bei vielen Web-2.0-Angeboten eher die Funktion hat, Diskussion zu inszenieren anstatt wirklich zu führen. Die Bereitstellung von Foren und Kommentarfeldern kann auch dazu führen, dass eine Debatte nicht groß und unausweichlich wird, sondern in unzählige Minidiskussionen ausfasert. Man fühlt sich wie in einem Park, der mit Soap-Boxes zugepflastert ist: Statt Diskussion gibt es ein weißes Lärmen unzufriedener Stimmen, das irgendwann ausplätschert.
Man kann natürlich trotzdem noch seinen Spass haben mit Flickr. Zumindest mit Steilvorlagen wie dieser:
Die Expansion nach Deutschland, über die man so lange deliberiert hat, hat wohl doch so ein paar Kinken. Und vielleicht hätte man auch besser eine Weile über die Übersetzungen der Texte debattieren sollen:
Verwendet um. Punkt. Besser kann man’s nicht sagen: Denn sie wissen irgendwie selber nicht so recht, was sie da tun.
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