The film’s explosive success and the way it resonates with practically everybody in all corners of Brazilian society make it certain to have a profound influence on the subject it tackles: society’s response to corruption, crime, and drug use.
Was ist das für ein Film, dem dieses Potenzial zugestanden wird? Tropa de Elite heisst er, und er befasst sich mit einer Sondereinheit der brasilianischen Militärpolizei. Das BOPE wurde aufgebaut, um die Auseinandersetzung mit dem organisierten Verbrechen wie einen Straßen- und Häuserkampf zu führen, mit schweren Waffen, gepanzerten Fahrzeugen und wenig Geduld für rechtsstaatliche Prinzipien.
Tropa de Elite ist unbestritten schon jetzt einer der erfolgreichsten und meistdiskutierten Filme in Brasilien. Er war schon ein Renner, bevor er noch in die Kinos kam: Im Internet kursieren Dutzende Fassungen, eine Version wurde offenbar aus dem Studio lanciert, das die Untertitel für Aufführungen in Amerika erstellen sollte. Clips aus dem Film kann man auf YouTube und GoogleVideo abrufen. Und längst kursieren DVDs in Brasilien, die sich als zweiter, dritter und vierter Teil des Films ausgeben. (In Wahrheit handelt es sich in der Regel um ältere Dokumentarfilme oder Zusammenstellungen von Polizeivideos.)
Und so viel läßt sich auch sagen: Der Film hat einen Nerv getroffen in der brasilianischen Gesellschaft. Er passt offensichtlich zu einer Grundstimmung, die man aggressive Kapitulation nennen könnte. Eine Haltung, die auf das Elend und die Kriminalität in den Favelas nicht mehr differenzierend lösen will, sondern nur noch eine Handlungsmöglichkeit akzeptiert: Plattmachen, vernichten, aus der Welt schaffen. Tropa de Elite ist antidemokratische und anti-rechtsstaatlche Polemik mit dem Holzhammer. Es ist der genaue Gegenpol zu dem, was zum Beispiel Gomorra versucht hat: Wo Savianos Buch sich um eine sorgfältige und genaue Analyse und Vivisektion der Verflechtungen des organisierten Verbrechens bemüht, ist Tropa de Elite die absolute Verweigerung jeden Dialogs. Aber – und das ist das Kuriose und zugleich Beklemmende dieses Films – nicht aus einer Position der Stärke oder des Selbstbewusstseins, sondern aus Resignation und Apathie.
Schon die Hauptfigur ist ein müder Kämpfer: Captão Nascimento, ein faschistoider John Wayne und BOPE-Offizier, für den es im Krieg nur schwarz und weiß geben darf. Wer nicht auf meiner Seite steht, ist ein Gegner und muss vernichtet, wenigstens aber gedemütigt werden: Nicht nur die Gangster aus der Favela, auch die korrupten Polizisten, und erst recht die kiffenden Studenten, die über Foucault diskutieren und die Drogenbosse erst reich machen. Frauen sind in dieser Weltanschauung wenig mehr als eine potenzielle Irritation, Hilfsorganisationen und Friedensdemonstranten sind Frauen in organisierter Form, verweichlichte Gestalten, die mit dem Bösen paktieren und die im Zweifel ebenso aus dem Weg geräumt werden müssen. Um diesen Krieg führen zu können, braucht man ein männerbündlerisches Heer von Überzeugungstätern, die darauf geschult sind, Instinkt und Intellekt kurzzuschließen. Es ist ein paranoides Weltbild, klar, und natürlich würde man sich, wenn sich das Denken nicht ganz verboten hätte, irgendwann fragen müssen, für wen man da eigentlich kämpft, wenn die Welt doch nur ein Hort von Feinden ist. Tatsächlich sind Heroen wie Nascimento ja auch nicht erfüllt von ihrer Mission, sondern müde und abgefuckt. Der Film wählt dafür sogar das plumpeste mögliche Bild, er lässt Nascimento krank werden, und als er dann noch Vater eines Sohnes wird, ist die Sache klar: Er wird aus diesem schmutzigen Krieg aussteigen, aber nicht, bevor er nicht zwei Rekruten zu würdigen Nachfolgern gedrillt hat.
Man sollte nicht zu viel erwarten von diesem Film: Es ist ein übles Machwerk, ein krude abgefilmter, brutaler und archaischer Action-Streifen, der jedes, aber auch wirklich jedes machistische Klischee abgreift und völlig ohne Ironie darbietet. Die verwackelte Handkamera, die man auch aus den Vorabendserien kennt, soll dem Ganzen ein dokumentarisches, authentisches Flair verleihen. Der Schnitt ist hektisch und ungeduldig: Bloß nicht zu lange auf einer Szene bleiben und sehen, was man angerichtet hat, direkt weiter zu nächsten Tat. Und dennoch wird nahezu jede Szene von Nascimento noch einmal aus dem Off kommentiert, um sicherzustellen, dass die Botschaft auch ja nicht verloren geht. „Von außen betrachtet mag der BOPE wie ein Kult erscheinen“, sagt Nascimento, und er meint das völlig ernst: „Das muss auch so sein.“ Ironie und Komik entsteht da eher unfreiwillig, zum Beispiel wenn das (echte) Insignium des BOPE ins Spiel gebracht wird, ein von Dolchen durchbohrter Totenschädel, den vermutlich selbst Guns’n’Roses als zu unsophisticated abgelehnt hätten.
Tropa de Elite ist aber trotzdem ein Film, über den man reden muss. Der Comic-Faschismus, der darin zelebriert wird, mag ungeschickt, krude und platt daherkommen. Die Kapitulation und Resignation vor der Komplexität der Verhältnsse, die ihn möglich macht, ist aber nicht nur ein brasilianisches Phänomen.
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