Das Schöne an Italien ist, dass auch um diese Jahreszeit Politik noch im Freien stattfinden kann. Wie hier in Pisa, an einem strahlend schönen und angenehm warmen Herbsttag: Ein gutes Dutzend Menschen hat sich versammelt, um unter den skeptsischen Blicken von Nicola Pisano wählen zu gehen. Es ist zwar nicht die Wahl eines Parlaments, die hier ansteht, sonst würde das natürlich auch in den geschlossenen Räumen eines Municipio oder einer Schule ablaufen, aber es ist trotzdem eine besondere Wahl. Gewählt wird hier der erste Vorsitzende des Partito Democratico, und die gesamte italienische Bevölkerung ist eingeladen, daran teilzunehmen.
Der Partito Democratico ist ein erneuter Versuch, der italienischen Linken so etwas wie ein einheitliches Gesicht und vor allem eine kräftigere Stimme zu geben. Es sind zwar nicht alle linken Parteien an Bord, aber doch die wichtigsten Vertreter des Ulivo-Bündnisses, das auch für Prodis Regierung entscheidend ist. Den Vorsitz dieser neuen Partei öffentlich wählen zu lassen, ist ein bemerkenswerter Vorgang, vielleicht ein bisschen populistisch, aber trotzdem passend für ein Land, dass die Straße und die Piazza eben nicht als etwas Bedrohliches empfindet, sondern als Verlängerung des Forums. Eine politische Entscheidung ist nur dann vollwertig, wenn sie durch die öffentliche Meinung bestätigt wurde – das war und ist hier, bei allen Schattenökonomien und -politiken, immer so.
Am Abend werden die Nachrichten vermelden, dass Walter Veltroni, Oberbürgermeister von Rom, mit überzeugender Mehrheit gewonnen hat: Drei Viertel aller Stimmen wird er auf sich vereinigt und damit einige aussichtsreiche Kandidaten, wie zum Beispiel Familienministerin Rosy Bindi, aus dem Feld geschlagen haben. Veltroni ist keine unumstrittene Persönlichkeit. Geschickt und diplomatisch versiert, würden die einen sagen, linker Karrierist die anderen. Er sass in der Führung der kommunistischen Partei und hat deren Wandlung hin zur linken Mitte des politischen Spektrums mit vorangetrieben. Als ehemaliger Chefredakteur der ehemals kommunistischen Tageszeitung L’Unità hat er gelernt, wie man Themen platziert, Agenden verwaltet (und wie man Leser mit netten Geschenken und Gadgets ködert, was der Unità aber am Ende fast den Garaus gemacht hätte.)
Was Veltroni mit der neuen Partei machen wird, was die Linke davon haben wird, dass es diese Partei gibt und ob sich da tatsächlich ein Gegengewicht aufbauen lässt zu den immer noch sehr massiv wirkenden Kräften auf der rechten Seite des politischen Spektrums muss man sehen. Aber die Nachrichten werden am Abend auch vermelden, dass sich mehr als doppelt so viele Menschen zu diesen Wahlen eingefunden haben als die Organisatoren erwartet haben. Gerechnet hatte man mit etwa 1,5 Millionen Wählern, gekommen sind weit über 3 Millionen. Und das finde ich sehr erstaunlich, und es stimmt – bei aller Skepsis gegenüber dem politischen Establishment in diesem Land – auch optimistisch: Das zeigt doch, dass ein guter Teil der Menschen noch nicht abgeschlossen hat mit der Politik und mit der politischen Utopie. Es gibt noch (oder wieder) die Idee, dass man etwas machen kann, dass sich Dinge bewegen lassen und dass die Gründung einer Partei vielleicht nicht die Verhältnisse ändert, aber doch ein guter Anlass ist, um zu signalisieren, dass man die Veränderung der Verhältnisse noch nicht aufgegeben haben.
Mal sehen, wie viel Veltroni davon verstanden hat.
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