Meine Mutter hatte ein ganzes Arsenal davon: Einweckgläser der Marke Frauenlob. Jedes Jahr wanderte die Familie ein- bis zweimal in die Beeren oder Kirschbäume, und das eingesammelte Ergebnis wurde dann eingekocht, bis das Arsenal gefüllt war.
Meine Mutter besaß auch einige echte Weck-Gläser, also von dem Hersteller, der dem Verfahren den Namen gegeben hat, aber die Frauenlob-Gläser fand ich schon damals interessant, sei’s wegen der Eleganz des Schriftzugs, sei’s wegen der poetisch angestaubten Biederkeit der Marke, die noch aus einer Zeit stammt, als man über Geschlechterrollen nicht zu diskutieren hatte.
Später im Studium hab ich dann gelernt, dass der Name natürlich schon viel älter ist: Da ist der Minnesänger Heinrich von Meißen, der ebenfalls Frauenlob genannt wurde, möglicherweise weil seine Texte den Zuhörern ähnlich süß vorkamen wie ein Kirschenkompott. Ich nehme aber nicht an, dass der Hersteller der Einweckgläser an den Minnesänger dachte, als er sich den Markennamen ausdachte.
Über den Hersteller ist erstaunlich wenig herauszubringen. Möglich, dass die Gläser ebenfalls von der Firma Weck hergestellt wurden, schließlich hatten die das Verfahren auch patentiert. Der Schriftzug erinnert ein wenig an die Frauenlob-Wäschepresse, noch so ein unverzichtbares Hilfmittel der tüchtigen Hausfrau, „von erfahrenen Ingenieuren geschaffen und von tüchtigen schwäbischen Facharbeitern mit Liebe und Sorgfalt gefertigt“. Wäschepresse und Einweckglas haben zwar nicht viel miteinander zu tun, aber vielleicht handelt es sich hier ja um einen frühen Fall von Cross-Marketing. („Und während die Wäsche dann gepresst wird, werte Dame, können Sie nebenbei noch ein paar praktische Dinge tun, Obst und Gemüse einkochen zum Beispiel. Ich hätte da übrigens ein paar Artikel, die Sie interessieren dürften …“)
Die Bedienungsanleitung für die Frauenlob-Wäschepresse wird uns vorgestellt von einer „Brigitte Frauenlob“, mit Sicherheit eines dieser betulichen 50er-Jahre-Pseudonyme, auch wenn es Frauenlob als Nachnahmen tatsächlich gibt – zwar nicht übermäßig häufig, jedenfalls in Deutschland nicht, aber immerhin. Ansonsten gibt es unter diesem Namen noch mindestens mindestens eine Wäscherei, ein Hutschenreuther-Tafelservice, ein Gymnasium (nach dem Dichter benannt). Außerdem diverse Schiffe, und zwar nicht nur in ziviler, sondern auch in militärischer Nutzung. Diejenigen, die Frauenlob als Namen für ein Kriegsschiff etwas seltsam findet, belehrt die „Wikipedia“, dass es nichts mit dem Dichter zu tun hat und auch keine Haushaltsgeräte damit gefeiert werden, sondern „freiwillige Geldspenden deutscher Frauen“. Damit sei das erste Schiff dieses Namens finanziert worden und hätte ursprünglich auch Frauengabe heißen sollen (und das Schwesterschiff komischerweise Der Urwähler).
Insgesamt scheint dieses Wort also eine gewisse Popularität gehabt zu haben, um den Zirkel zu abzumessen, in den das Tun und Reden von und über Frauen eingeschrieben war. Welcher tiefere Zusammenhang nun zwischen der Rolle der Frau, der Freude über praktische Haushaltsartikel und das Spendieren von Kriegsschiffen besteht, das müsste man vielleicht mal Eva Herman fragen. Vielleicht hätte Frau Herman auch Gefallen an den Binnenminensuchbooten der „Frauenlob-Klasse“, die unter der Flagge der Bundesmarine unterwegs waren. Binnenminen suchen geht Frau Herman ja auch gerne.
Uns Nachgeborene der 68er muss das nicht mehr beschäftigen. Wir befüllen die Gläser immer noch gerne mit Kompott oder Marmelade, aber auch, wenn grad nichts anderes mehr zu Hand ist, mit Tulpen.
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