Es gibt viele bewegende und überraschende Momente in den Bildern aus Tunesien und Ägypten, aber mich hat am meisten beeindruckt, mit welcher Energie und Selbstorganisation Demonstranten und Bürger versucht haben, die Leerstellen zu füllen, die das kollabierende System ließ. Dokumente wie dieses beeindruckende Flugblatt etwa, in dem Hinweise zu Ausrüstung und Taktik gegeben werden und das deutlich zeigt, dass bei den Demonstrationen nicht einfach nur darum ging, seinem Unmut Luft zu machen, sondern tatsächlich darum, dem abstrakten Schlagwort vom „Willen des Volkes“ eine konkrete Form und eine vielleicht diffuse, aber trotzdem unübersehbare Gestalt zu geben. Oder dieser rührende Clip, in dem sich einige Männer nach dem Demonstrationen vom Freitag daran machten, den Tahrir-Platz sauber zu machen, also nicht nur eine Aufgabe, sondern auch ein Selbstverständnis zu übernehmen, das normalerweise die Staatsmacht für sich beanspruchen würde.
Man kann es wohl kaum besser ausdrücken, als in dieser kleinen Homage to Cairo: „To behold such a space is a beautiful thing. […] To unlearn it is impossible.“ Und was immer in den nächsten Wochen und Monaten noch passieren wird, welche Ernüchterungen und Reibungspunkte in den nächsten Wochen auch ausbrechen mögen, es bleibt doch der Nachweis, dass jede scheinbar noch so festzementierte Struktur erschüttert werden kann, und dass die Freiräume und Risse, die dadurch entstehen, auch den Blick auf neue Möglichkeiten bieten.
Einige besonders lesenswerte Texte:
Adrian Ivakhiv über die Proteste aus Sicht einer prozess-relationalen Philosophie:
All through these events, however, there has been a more general movement of democratization and activization of those left out of traditional oligarchic power-holds. And however much we may celebrate modernity as an era of democratization, the world is still made up largely of variations of oligarchy interlocking at multiple levels. Oligarchy, however, unlike bone-crushing authoriatarianism, usually leaves many gaps, breathing spaces, within which resistance can build, and what we’re seeing is the result of the convergence — the (literal) con-spiracy, the breathing together — of some of those breathing spaces.
Walid Hazbun über Demokratie und Geschwindigkeit.
Juan Cole über die Rolle der Urbanisierung und Verstädterung.
Anthony Paul Smith über säkulare Potenziale islamischen Denkens:
Who knows if what we are seeing play out today will be the imperative community of tomorrow or will slip into an Ideological Islamist Thermidorian reaction, if this will be the overturning of a culture, or simply the replacing of the old master with a new one. What is clear though is that, if it succeeds, it will do so by way of Islamic material transformed through secular forms.
Außerdem: Slavoj Žižek im Guardian, Peter Hallward ebenda, Mahmoud Hussein in der Libération (kostenpflichtig).
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