Google guckt auf die Finger


Aus dem Google-Labor stammt ein Patentantrag zur „Personalisierung der Anordnung von platzierten Inhalten in Suchergebnissen“. Das klingt harmlos, verdient aber einen genaueren Blick: Dahinter steht der Versuch, den Nutzern noch genauer auf die Finger zu schauen.

„Platzierte Inhalte“ („placed content“) sind die Inhalte, die nicht allein durch den Algorithmus der Suchanfrage erzeugt werden (die „organischen“ Ergebnisse, im Suchmaschinen-Jargon). Dazu gehören beispielsweise die Anzeigen, die Google neben den Suchergebnissen einspielt.

Die werden bisher, vereinfacht gesprochen, vor allem aus dem Kontext der Suchanfrage ermittelt. Wer nach „Kaffee“ sucht, bekommt Anzeigen für „Kaffeemaschinen“, „Röstkaffee“ oder „Kaffeefahrten“ eingeblendet. Das ist natürlich noch ein bißchen grobschlächtig, und darum sehen die Google-Entwickler Bedarf:

Es wäre wünschenswert, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass dem Nutzer [im Rahmen von Suchergebnissen] Anzeigen vorgestellt werden, die von Interesse für ihn sind.

Es soll allerdings nicht nur um Anzeigen gehen, wie man dem Dokument entnehmen kann: „Platzierte Inhalte sind üblicherweise in der Form von Werbung, könnten aber jede Art von Inhalt“ sein, zum Beispiel Wettervorhersagen, Nachrichten etc. Dennoch: Darin steckt natürlich eine Bevormundung, denn woher will Google wissen, was in der unmittelbaren Situation interessant für mich ist?

Indem man, sagt Google, persönliche Daten wie „Alter oder Altersgruppe, Bildungsniveau, Einkommensniveau, sprachliche Vorlieben, Familienstand, Wohnort, kultureller Hintergrund“ in die Erstellung der Ergebnisse mit einbezieht Bisher versucht man, an diese persönlichen Daten eines Nutzers vor allem über Opt-In-Prozesse heranzukommen, also indem der Nutzer ein persönliches Profil mit ein paar Angaben zur Person zur Verfügung stellt, beispielsweise bei der Anmeldung für einen Newsletter. Der juristische Vorteil: De Bereitsstellung des Profils kann man gleichzeitig auch als Einwilligung in die Nutzung der Daten auslegen. Allerdings werden Opt-In-Prozesse entweder nicht so häufig wahrgenommen werden, wie man sich das wünscht, oder weil die Ergebnisse, die dabei erzielt werden, bleiben hinter den Erwartungen zurück.

Google will nun – und das ist wohl die eigentliche Pointe des Antrags – dahin kommen, persönliche Nutzerprofile allein aus dem Verhalten des Nutzers zu generieren, auch ohne vorherige Personalisierung. Auch das ist nicht ganz neu, jede Seite, die mit Cookies arbeitet, versucht etwas Ähnliches, aber Google möchte offensichtlich auf indirektem Wege eine ähnliche Detailschärfe erzeugen wie mit vom Nutzer eigenhändig personalisierten Profilen.

Im Patentantrag sieht das dann in der mathematischen Formel so aus:

PersonalizedScore=GenericScore*(TermScore+CategoryScore+LinkScore)

Die technischen Details zu den einzelnen Begrifflichkeiten lese man im Patentantrag nach, im Kern geht es darum, inhaltliche Kriterien, Verlinkungen und Klicks mit dem „organischen“ Suchalgorithmus zu verquicken und daraus die Ergebnisse aufzubereiten. Durch die zahlreichen Tools, die Google mittlerweile anbietet – Menüleiste, GoogleEarth, Festplattensuche – rückt man ja auch immer näher an den Nutzer heran, so dass theoretisch auch das Verhalten außerhalb der Google-Webseiten mit einbezogen werden könnte.

Aber was ist, wenn ein Computer von mehreren Nutzern beansprucht wird? Auch das will Google in Zukunft unterscheiden können:

Unterschiedliche Nutzer können auch automatisch erkannt werden anhand der Seiten, die sie aufsuchen, oder anhand anderer Charakteristika ihrer Besuchsmuster. Beispielsweise kann es sein, dass unterschiedliche Nutzer die Maus anders bewegen, anders tippen und andere Programme oder Eigenschaften dieser Programme nutzen.

Nutzererkennung anhand der Mausbewegungen – das klingt für Marketingexperten sicher aufregend, aber auch unheimlich. Von der datenschutzrechtlichen Problematik mal abgesehen (und auch davon, ob das technisch wirklich so möglich ist, wie Google sich das vorstellt): Was bei all diesen Erwägungen gar keine Rolle mehr spielt, ist die Frage, ob ich als Nutzer überhaupt so etwas wie „personalisierte“ Ergebnisse haben möchte.

Außerdem steckt hinter diesen Konzepten immer noch die irrige Annahme, dass der Mensch sich einfach als Summe aus seinen Verhaltensweisen errechnen läßt. Dass es auch Subtraktionen, Multiplikationen und Divisionen gibt, scheint den Marketingexperten fremd zu sein.

(Via Search Engine Journal.)

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