Der letzte Jump des Erzengels


Charly Gaul, der „Erzengel der Berge“, gehört zu der Kategorie von Radsportlern, deren Heldentaten nie im Fernsehen zu sehen waren. Um so großartiger und mythischer kann man sie in der Schilderung aufleben lassen: Der Kampf gegen den Schneesturm am Monte Bordone, die Hetzjagd mit Louison Bobet am Mont Ventoux, die Regenschlacht zwischen Briançon und Aix-les-Bains. Was für ein Held, und noch dazu aus einem winzigen Herzogtum, das außer einem geborgten Skifahrer wenig sportliche Heroen aufzuweisen hat.

Logisch, dass Gaul auch in Barthes‘ Essay zur Tour de France vorkommt, und die Anmerkungen dort sind eine würdige Hommage:

Die Tour praktiziert im Allgemeinen eine Energetik des Geistes. Die Kraft, über die der Fahrer verfügt, um der vermenschlichten Erde gegenüberzutreten, kann zwei Aspekte annehmen: Die Form einerseits, die eher ein Zustand ist als ein Schwung, und ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen der Qualität der Muskeln, der Schärfe der Intelligenz und dem Willen des Charakters, und der Jump andererseits, ein veritabler Zustrom elektrischer Energie, der wie ein Blitzschlag manche von Gott geliebten Fahrer trifft und sie übermenschliche Taten vollbringen läßt. Der Jump setzt eine übernatürliche Ordnung voraus, die einen Menschen nur so viel Erfolg haben läßt, wie ein Gott ihm dabei hilft: Um den Jump bat die Mutter von Brankart bei der Heiligen Jungfrau, in der Kathedrale von Chartres, und Charly Gaul, der herausragendste Günstling der Gnade, ist ein Spezialist des Jump: Er bekommt seine Elektrizität durch einen Zwischenhandel mit den Göttern: manchmal wird er von den Göttern besessen und er leistet Hervorragendes: manchmal verlassen ihn die Götter, der Jump ist matt. Charly bringt nichts Gutes mehr zustande.

Am Dienstag hat der Erzengel seinen letzten Jump getan. Aber die Götter waren da grade abwesend. Messieurs, erheben wir uns von den Plätzen.

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