Reality – I don’t think so, not yet


Damit da kein falscher Eindruck aufkommt: Ich mag das Web. Manchmal auch die Version 2.0. Zum Beispiel an so einem Tag wie heute.Da sitzt man gut gelaunt an den Schreibtisch, die Sonne lacht, die iTunes zwitschern und dann schaut man nur mal eben so bei del.icio.us vorbei und denkt sich plötzlich: „Hoppla, das bin ja ich.“

Tatsächlich, da haben sich zwei Leute einen Text von mir gebunkert. Finde ich ja schon lustig, das mal so vor sich zu sehen – auch wenn einer dazu geschrieben hat: „Foucault muss für Web 2.0 Kritik herhalten.“ Das klingt ein bißchen verdrießlich, als ob er sagen wollte, „ach Gott, was werden da für alte Scharteken aus dem Bücherregal gezogen“, und das ist ein Vorwurf, gegen den ich wehrlos bin, denn nichts mache ich lieber, als alte Scharteken aus dem Bücherregal zu ziehen – puh, wie das staubt, ganze Tagclouds kommen mir da entgegen, und wenn ich ein bißchen wühle, finde ich bestimmt noch ein paar Zitate mehr, die für Web-2.0.-Kritik herhalten könnten.

Aber „thob“ fällt dazu noch etwas ein:

Dazu fällt mir ein: „Bild dir ein du bist Lotse und hältst das Steuer Mitten im Ozean spielst du mit dem Feuer Sprichst andere Sprachen im eigenen Land Zerstreue die Zweifel an deinem Verstand Und wenn die Wirklichkeit dich überholt

Ehrlich, das hat mich gerührt. Der Text bricht ja leider am Ende ab, aber mehr muss ich auch nicht wissen, diese Zeilen muss ich nicht ergoogeln: Fehlfarben, Monarchie und Alltag, „Gottseidank nicht in England“. Hymne meiner Jugend. [seufzt]

Warum thob ausgerechnet dieser Text zu meinem Text einfällt, ist mir allerdings ein Rätsel. Darin äußert sich doch eine Ambivalenz, die gerade nicht Web 2.0 ist, nämlich einerseits ein Außenseitertum zu feiern, von dem man andererseits dann doch ahnt, dass man damit nicht durchkommen wird:

Und wenn die Wirklichkeit dich überholt
Hast du keine Freunde, nicht mal Alkohol
Du stehst in der Fremde
Deine Welt stürzt ein
Das ist das Ende
Du bleibst allein

Es gibt kein richtiges Leben im falschen, aber man kann wenigstens cool sein dabei. (Um noch mal ein altes Buch herbei zu zitieren.) Aufbruch und Absturz in einem Song, dass konnten damals nicht viele so gut aufschreiben wie Peter Hein. Aber ich will kein Altbier nach Düsseldorf tragen: „Gottseidank“ ist ja längst von jedem und seinem Hund kanonisiert. Das Stück war mir auch schon deshalb sympathisch, weil der Titel ein ganz offensichtlicher Trackback an eine andere große Platte war, Searching For The Young Soul Rebels von den Dexys Midnight Runners. Da gibt einen Song, der ganz ähnlich heißt, „Thankfully Not Living In Yorkshire It Doesn’t Apply“, und auf der Rückseite des LP-Covers (vielleicht auch auf der CD, das weiß ich nicht) steht unter dem Songtitel der Satz: „Reality – I don’t think so, not yet“, den ich, das ist wirklich wahr, auch mal als Motto über dieses Blog schreiben wollte und auf den Hein, behaupte ich, in der ersten Refrainzeile anspielt.

„Thankfully“ ist auch ein Song, den ich immer und in jeder Lebensphase wieder hören kann, allein wegen des atemlosen Falsetts im Refrain, und trotz der ungerechten Sätze „Lord have mercy on me/Keep me away from Leeds“ (die Stadt fand ich ja nun immer klasse). Da sehe ich übrigens beim Überfliegen des Textes noch einen schönen Satz: „I’d relate my thoughts to you/But I’m not that stupid to put my faith in you“. Aber damit lass ich es jetzt auch mal bewenden. Sonst finde ich das morgen bei del.icio.us unter der Überschrift: „Kevin Rowland muss für Web 2.0 Kritik herhalten“.

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