Ein Blog geht auf Reisen


Das Reiseportal weg.de hat ein Reiseblog gestartet, Don Alphonso hat es in einer Polemik über kommerzielle Blogprojekte abgewatscht, und daraus hat sich eine Kontroverse entwickelt, die ich natürlich hochinteressant finde: weil sich der Streit in ein Territorium begibt, in dem ich mich doch ein bißchen auskenne, schließlich hab ich oft genug in der Reisebranche zu tun, und das auch ganz bodenständig in der Organisation und Durchführung von Reisen vor Ort. Ich höre aus erster Hand die Geschichten, warum jemand wohin verreisen möchte, wie er oder sie sich dabei informiert, welche Bücher dabei gelesen und welche Websites besucht werden. Ich denke also, dass ich ein paar gute Gründe weiß, was in einem Blog über das Reisen drin stehen müßte und warum der Reiseblog – zumindest in der aktuellen Form – ebensowenig funktionieren dürfte wie ähnliche Projekte vom Focus oder von HLX.

Es hilft vielleicht, erst mal die unterschiedlichen Positionen aufzudröseln: Das Argument von Don Alphonso ist ja, dass die meisten kommerziellen Blogs vor die Wand fahren, weil sie nicht wirklich mit einem Interesse an der Sache gemacht werden, sondern nur, um einen gerade aktuellen Hype abzugreifen. Wenn man sich die Blogs anschaut, die bisher von Medien- und anderen Unternehmen so ins Netz gestellt worden, wird man ihm da nur beipflichten können: Die Inhalte sind meist beliebig und austauschbar, unterscheiden sich in nichts von dem, was in den Zeitungen und Magazinen als Kolumnen rubriziert wird und werden – wenn überhaupt – auch nur gelegentlich aktualisiert. Das, was Blogs eigentlich ausmacht, nämlich nicht nur Publikations-, sondern auch Kommunikationsmedium zu sein, Diskussion und Austausch einzuleiten, das findet da überhaupt nicht statt. Wo es die Kommentar- und Trackbackfunktion gibt, ist sie meist nichts anderes als ein automatisierter Leserbriefkasten.

Wie Don Alphonso sich ein Blog vorstellen kann, in dem es ums Reisen geht, das schreibt er auch:

Ich will das Rauschen der Brandung hören, ich will da jemand haben, der mit dem Roadster am Gardasee entlangfährt und Matia Bazar hört und mir das erzählt, ich will den Duft kroatischer Pinien, ich will will schöne Geschichten aus schönen Ländern und ganz sicher keine Erinnerung an den Glos und eine umgeschriebene Agenturmeldung über ein Treppenrennen in New York.

Das ist eindeutig genug, aber geben wir der Sache der Einfachheit halber einen Namen und nennen es: ein feuilletonistisches Blog.

Nun haben sich zwei der Verantwortlichen für den Reiseblog in der Diskussion zu Wort gemeldet: Nico Lumma, der den Start des Blogs auch publiziert hatte, und Jan Valentin, verantwortlicher Redakteur für weg.de. Sie legen ihr Konzept nicht ganz so deutlich klar, aber ich denke, ich tue ihnen nicht unrecht, wenn ich es – for want of a better word – als Dienstleistungsblog bezeichne.

Das ist ja auch o.k. so und hat sicher ebenso seine Berechtigung wie ein gebloggtes Feuilleton, im Gegenteil, ich würde sogar behaupten: Ein Reiseblog, der in irgendeiner Weise kommerziell funktionieren soll, wird von beidem etwas bieten müssen: Nutzwert und Persönlichkeit. Eine Reise ist etwas Emotionales, ebenso wie Literatur, Musik oder Bücher, wenn ich das jemandem schmackhaft machen will, muß ich ihm eine Geschichte dazu erzählen. Es reicht nicht, irgendwelche Anekdoten aus dem DuMont nachzuplappern, und wenn die noch so kurios sind: Neugierde entsteht nur, wenn man zeigen kann, was einem an einer Sache wirklich liegt, wenn man selbst mit Leidenschaft, Engagement und Interesse dabei ist.

Wenn man sich anschaut, was bisher beim Reiseblog im Netz steht, dann ist das einfach nicht Fisch und nicht Fleisch. Man merkt zwar, dass in den Texten eine etwas flottere und persönlichere Ansprache gesucht wird als in einer platten PR-Mitteilung. Aber das Ganze bleibt doch etwas dünn, weil es so beliebig und unsortiert wirkt: Man erfährt nicht, wer das schreibt, und warum und wieso das alles interessant sein soll. Das beste Beispiel ist ein kurzer Eintrag über Orangen in Palermo und Catania: Was könnte man da nicht alles schreiben! Man könnte den Leser mitnehmen auf den Markt in Palermo, ihm den Lärm beschreiben, der dort zu hören ist, das Durcheinander der Stimmen und Geräusche: den kehligen, dunklen Dialekt der Marktschreier hier und das metallische Knarren japanischer Spielzeuggewehre dort. Man könnte die Gerüche beschreiben, die Mixtur aus Gewürzen, Blumen, Fischen und Meeresfrüchten, man könnte von Pepe erzählen, der seit dreißig Jahren hier steht und dessen Orangen immer, wenn man vorbeikommt, knalliger leuchten als ein holländisches Fan-Geschwader. Man müßte da auch gar nichts schönfärben oder verkitschen, auch Pepes müde, verlebte Augen gehören in die Geschichte oder die schwieligen Gichthände, mit denen er die Orangen krallt, die er dir verkauft. Aber alles das müßte man erzählen, weil man nur so dem Leser Appetit machen kann auf die Orangen, auf ihr Fruchtfleisch und ihre Süße, auf den Markt und Palermo und Sizilien, und wenn dann am Ende der Hinweis kommt, wo ich die Reise buchen kann, will ich den sehen, der sich darüber beschwert.

Aber stattdessen bekommen wir ein paar lässig hingeschlenzte Anmerkungen, die in irgendeinem Reiseführer aufgelesen wurden. Was ja alleine auch noch nicht so schlimm wäre, wenn man das Gefühl hätte, dass da ein Kontext entsteht, ein Zusammenhang aufgebaut wird, eine Geschichte jenseits der Anekdote, die mir Lust macht, auch weiter dranzubleiben und immer wieder reinzugucken. Stattdessen springt der Blog von Italien nach Manhattan, dann wieder in die Dominikanische Republik, ohne dass man ein echtes Interesse erkennen könnte, an den einzelnen Orten zu verweilen. Wir erfahren ja auch nicht, wer das ist, der da bloggt, und was er oder sie am Reisen so interessant und spannend findet.

Man muß an dieser Stelle vielleicht kurz mal auf den Begriff der Authentizität zu sprechen kommen, der in den Diskussionen um gute oder schlechte Blogs immer wieder durch den Raum geschleudert wird wie nichts Gutes. Jan Valentin sagt in seinem Kommentar, dass es sich ein kleines Unternehmen nicht leisten könne, seine Autoren auf Reisen zu schicken. Als ob es darauf ankäme! Authentisch heißt nicht, dass man alles das schon gesehen haben muss, worüber man schreibt, es heißt nur, dass man ein echtes Bedürfnis und Interesse an der Sache vermitteln muß. Laßt Eure Autoren doch über das Barcelona ihrer Träume schreiben und erzählen, warum sie da gerne mal hinmöchten, wenn sie noch nicht da waren. Oder denkt Euch Geschichten aus: Ein begnadeter Schwindler ist immer noch authentischer und lesenswerter als ein öder Abschreiber. Ich habe keine Ahnung, ob die Geschichten, die ich in Don Alphonsos Blog lese, wahr sind oder erfunden, aber das ist doch auch egal. Der Wille, etwas zu erzählen, ist authentisch: Man erkennt die Rampensau und betrachtet sie mit Vergnügen. Das ist der Punkt. Im Reiseblog hüpft ein kleines Kaninchen durch die Manege und wackelt ein bißchen mit den Pfötchen. Im besten Fall ruft jemand: „Süß!“, aber das war’s dann.

Man könnte weiter einwenden, dass der Wunsch nach einem feuilletonistischen Blog, wie Don Alphonsos Beispiel vom Gardasee, höchstens etwas ist für ein elitäres und literaturinteressiertes Publikum. Aber darum geht es ja nicht. Ich habe in den Kommentaren mit Absicht zwei absolut uncoole Namen genannt, die ich sonst wahrscheinlich in jedem anderen Zusammenhang dissen würde, die aber nun mal repräsentativ stehen für vieles, was einem Reisende so als Inspirationsquelle nennen: Fritz Pleitgen und Rosamunde Pilcher. Ich kann nicht sagen, wie oft ich diese Namen unterwegs schon gehört habe. Warum das so ist, kann man auch relativ einfach erklären: Man mag von Pleitgen halten, was man will, und über die Gelder schimpfen, die für seine Reisen draufgehen, aber er ist nun mal jemand, der es sich leisten kann, im Fernsehen „ich“ zu sagen. Die Geschichte, die er kommuniziert, ist: „Ich bin jemand mit Rang und Namen, ich leiste mir hier *meine* Traumreise, und das, was ich zeige, sind die Dinge, die *ich* interessant finde.“ Und Millionen Zuschauer sitzen vor dem Fernseher und denken: „Ich will auch ein kleiner Pleitgen sein und überall da hin fahren.“ (Schreckliche Vorstellung, das mit dem kleinen Pleitgen, ich weiß.)

Oder nehmen wir die Pilcher: Ob man die nun mag oder nicht, sie spielt ganz offensichtlich auf der Klaviatur der romantischen Vorstellungen ihrer Leser und Leserinnen. Sie weckt oder bestätigt Träume, Emotionen und Sehnsüchte, und die bringen die Leute ins Reisebüro. Ich habe vergangenes Jahr ein paar Gruppen in Südengland begleitet, ich weiß, wovon ich rede.

Man muß sich Pleitgen und Pilcher nicht zum Vorbild nehmen, um Gottes willen. Aber man muß, wenn man ein Reiseblog mit kommerzieller Absicht macht, schon zur Kenntnis nehmen, dass das, was die machen, einen Effekt hat. Dann muß man sich fragen, kann ich davon was für mein Blog lernen? Wie kann ich mit meiner Tonalität, mit meiner Begeisterung und mit meinen schreiberischen Fähigkeiten dafür sorgen, dass mir die Leser die Patagonien- und Cornwall-Flüge nur so aus den Fingern reißen? Die Antwort ist gar nicht so kompliziert: Sagt „ich“, und erzählt Geschichten.

Die müssen auch nicht perfekt sein. Es gibt viele amateurhafte Blogs, die um Längen besser sind als professionelle, weil die Macher eben das sind, was der Name ursprünglich mal gesagt hat: Amateure, Liebhaber und Liebhaberinnen, die sich ihr Herzblut aus den Fingern tippen, wenn sie von Klettertouren in die Urner Alpen erzählen, von Segeltörns im Pazifik und von Ferien auf dem italienischen Bauernhof. Man muß das nicht alles gut finden. Aber selbst die klapprigste Geocities-Homepage mit wackelnden Briefkasten-GIFs und Web-0.5-Design hat noch mehr Existenzberechtigung und Charme als eine lieblos zusammengestoppelte PR-Schleuder, und wenn die in schickem Pastellton daherkommt.

Damit das nun nicht als Verriß rüberkommt: Ich mag Blogs, die vom Reisen handeln. Und man darf damit auch Geld verdienen, keine Frage. Wenn jemand eine gute Idee hat, nur zu. Lumma hat darum gebeten, dem Reiseblog Zeit zu lassen – das sollte man ihm auch zugestehen. Ich schaue gerne in drei, vier Wochen noch mal vorbei. Aber was mich angeht, da kann ich sagen: Öfter komme ich nur, wenn es wirklich spannende Geschichten gibt. Probiert’s einfach. Habt Mut. Seid Amateure. Viel Glück dabei.

(Nachtrag: Ich sehe grade, dass man ein paar Dinge versucht beim Reiseblog: Eine Julia reist jetzt bloggend durch Afrika. Mal sehen, wie weit sie dabei kommt. Das Blog hat auf jeden Fall schon ein bißchen mehr Farbe bekommen.)

Eine Antwort

  1. Avatar von Andreas
    Andreas

    Letztes Jahr hab ich eine Segelreise in Italien bei Green Ocean gebucht und war bei meiner 1-wöchigen Reise zutiefst beeindruckt. Neben den tollen Landschaften, das leckere Essen aus italienischer Küche, den Delfinboabachtungen, den romantischen Sonnenuntergängen und dem Schwimmen in traumhaft schönen Buchten, konnte man sogar als Segellaie, das Steuer selber mal in die Hand nehmen. Es war unglaublich! Kann ich echt nur allen wärmstens empfehlen! Dickes Plus für Green Ocean!!

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