Die Blogosphäre wächst und wächst, jedenfalls, wenn man den neuen Zahlen von Technorati glaubt. Oder bläht sie sich nur auf? Könnte es sein, dass sich nur die Oberfläche ausdehnt und darunter längst ein Schrumpfungsprozeß begonnen hat?
Zwei Blogger, Matt Galloway und Scott Karp, haben sich die Technorati-Zahlen mal genauer angeschaut und mit einer anderen Studie zum Wachstum von Spam-Blogs (splogs) gegengerechnet.
Das Ergebnis: Die spektakulären Wachstumszahlen der Blogosphäre resultieren vor allem aus der explosiven Vermehrung von Splogs. Über kurz oder lang wird die Zahl der Splogs die der „normalen“ Blogs übertreffen. Zieht man die Wachstumsraten der Spammer ab, dann stagniert die Blogosphäre oder schrumpft sogar.
Technorati-Chef David Sifry hat dieses Ergebnis mittlerweile angefochten: Aus den Technorati-Zahlen seien die Splogs bereits rausgerechnet, es handele sich also tatsächlich um ein Netto-Wachstum.
Damit wäre die Rechnung von Galloway und Karp falsch. Die Diskussion, die sich daran anschließen könnte, ist damit aber noch nicht hinfällig. Eher ist ja die Frage, wie lange es dauert, bis Galloway und Karp recht haben könnten.
Eines ist aus den Technorati-Daten nämlich nicht ersichtlich: Wie aktiv die Blogosphäre ist. Wie oft werden die über 27 Millionen Blogs aktualisiert? Ist der Rhythmus gleich geblieben, hat er sich intensiviert oder verlangsamt? Wie viele Geisterblogs gibt es, und wie viele von den 75.000, die täglich neu entstehen, schaffen es über den ersten Monat?
Bei einem anderen Phänomen, jünger als das Blogging, hat Wired schon Ermüdungserscheinungen festgestellt, bei den Podcasts nämlich. Nur ein Fünftel aller Podcaster schafft es bis zur zehnten Show, der Rest wirft vorher schon das Handtuch, aus Zeitgründen oder Frust über das Ausbleiben der Hörer. Podfading heißt das bei Wired – kann man analog dazu schon ein blogfading erahnen?
Nun ist Podcasting natürlich etwas aufwändiger als Bloggen, klar, dass man da schneller die Geduld verliert. Aber Blogs machen auch Arbeit, schon die Struktur schafft täglich eine kleine Verpflichtung, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da jeder freiwillig und auf Dauer unterwirft. Die Verlockungen, die viele zum Bloggen bringen, sind ja auch nicht realistisch: Mini-Prominenz, Geld verdienen? Tja, wenn man einer von 27 Millionen ist, kann man sich ja ausmalen, wie sich das mit der Sichtbarkeit und dem Ruhm so verhält. Dazu kommen noch die ganzen PR- und Corporate-Blogs, und eine Kommerzialisierung, wenn nicht gar Spammisierung der Blogs von innen: Überall stehen auf einmal Filmkritiken oder Reiseberichte, inklusive Links auf die DVDs bei Amazon. Wenn dann keiner klickt, kommt der Frust.
Aber noch wächst das Ganze. Und selbst wenn tatsächlich mal ein Schrumpfen einsetzen sollte: Die Blogs werden damit nicht verschwinden. Es gibt ja auch immer noch Homepages bei Geocities und Tripod. Blogs werden dadurch auch nicht unwichtiger werden: Es wird höchstens ein paar Verschiebungen geben, was ihre Funktionsweisen angeht. Schon jetzt, im Wachstum, zeichnet sich ja ab, dass sich die Blogosphäre ausdifferenziert in verschiedene Subsphären, die kaum noch miteinander kommunizieren – was bei manchen Alphabloggern zu einer ähnlichen Form von Wehmut führt wie bei alten Punk-Rockern, die damals als erste mit dabei waren.
Aber es wird sicher auch eine ganze Menge Leute geben, die damit zufrieden sind, sich in den Kommentaren auszutoben, statt ein eigenes Ding aufzuziehen. Andere werden Blogs höchstens sporadisch wahrnehmen und stattdessen neue Services ausnutzen. Zum Beispiel solche, die verschiedene Instant-Messaging-Angebote zusammenbinden und mit SMS verknüpfen, das deckt auch schon mal einen guten Teil des Kommunikationsbedürfnisses ab, ist außerdem anonym und ein Archiv gibt es zum Glück auch nicht: Es ist ja nicht für jeden angenehm, wenn man alte Sprüche bei Google oder Archive.org ausgräbt.
Und irgendwann wird jemand ein neues Tool bauen, mit dem man schneller oder besser oder anders Inhalte publizieren, kommunizieren oder irgendwas anderes tun kann. Old Schooler werden die Nase rümpfen, early adopters werden es früh adoptieren, irgendjemand wird Suchmaschinen, Portale oder sonstwas drumherum bauen, alles wird Web 3.0 oder was auch immer sein, und dann geht der ganze Spaß von vorne los.
Ach, und übers vlogfading haben wir jetzt noch gar nicht geredet.
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