Im Europäischen Parlament droht eine an sich gute Idee mal wieder in bürokratischer Kleinkrämerei zu versacken: Zur Debatte steht eine Harmonisierung und Standardisierung der europäischen GIS-Infrastruktur, oder genauer: die Schaffung einer gemeinsamen Plattform für den Austausch von Geodaten. Das ist eine gute Sache, denn bisher beackern die Katasterbehörden der einzelnen Mitgliedsstaaten diese Felder weitgehend unabhängig voneinander, mit jeweils eigenen Modellen, Standards und Konzepten, und das macht den Datenaustausch untereinander oft schwierig.
INSPIRE heißt die Initiative, die dieses Problem lösen soll, oder zumindest ein paar Teilprobleme davon. Nur: Dem Entwurf, der dem Parlament seit Dienstag in zweiter Lesung vorliegt, ist nicht mehr viel Inspiriertes anzumerken. Wird das Konzept so abgesegnet, dann ist der öffentliche Zugang zu Geodaten nicht erleichtert, sondern so kompliziert wie bisher, wenn nicht sogar schwieriger. Die Initiative PublicGeodata will dieser Entwicklung nun mit einer eigenen Plattform gegensteuern und bittet außerdem zur Unterzeichnung einer Petition, die die Parlamentarier zum Umdenken bewegen soll.
Ein großes Hindernis auf dem Weg zu einer offenen Infrastruktur für Geodaten ist die Eifersüchtigkeit mit der die europäischen Kataster- und Geoinformationsbehörden ihre Daten bewachen, als gälte es noch immer, irgendwelche ostindischen Handelscompagnien vor der Wirtschaftsspionage konkurrierender Nachbarländer zu schützen. Wer Geoinformationsdaten braucht, nur gegen teure Gebühren und unter mal mehr, mal weniger komplexen Lizenzierungsauflagen.
Man kann das auch teilweise verstehen: Natürlich müssen diese Behörden ihre Bilanzen vorlegen. Geodaten sind ein begehrtes Gut und sind ein wichtiger Posten in der Staatskasse. Andererseits wird die Sammlung der Daten und ihre Aufbereitung ja auch schon mit Steuergeldern finanziert. Die Frage wäre also berechtigt, warum man als Steuerzahler noch ein zweites Mal zur Kasse gebeten wird, wenn man Daten abfragt, die man eigentlich schon bezahlt hat.
An dieser kuriosen Situation wird sich auch mit INSPIRE nicht viel ändern. Schaut man sich die verschiedenen Entwurfsstadien an, durch die das Konzept gegangen ist, bis es jetzt dem Parlament vorgelegt wurde, dann fällt auf, dass mit jeder Stufe mehr urheberrechtliche und marktwirtschaftliche Überlegungen in das Dokument eingeflossen sind. Das heißt, harmonisiert würde am Ende nur ein relativ begrenztes Feld von Datentypen, andererseits bleiben für die Behörden einige Möglichkeiten, den Zugriff auf diese Daten einzuschränken oder finanziell auszuwerten.
Dass es auch anders geht, sieht man, wenn man in die USA schaut: Dort gehört die freie Verfügbarkeit von Geodaten für jedermann fast schon zum nationalen Erbe. Das liegt natürlich auch am Selbstverständnis der USA: Die Erschließung eines riesigen Raumes ist das zentrale Element des amerikanischen Selbstverständnisses, der freie Austausch von geographischen Informationen ist konstitutiv gewesen für die amerikanische Geschichte, und dass der erste Präsident George Washington ein Landvermesser und Kartograph war, ist sicher kein Zufall gewesen. Das hat sich im wesentlichen bis heute gehalten (und die ganze Mashup-Kultur, die sich rund um Angebote wie Google Maps gebildet hat, ist nur ein sehr aktuelles und populäres Beispiel dafür): Zwar verzichtet der amerikanische Staat damit auf einen Teil möglicher Einnahmen. Andererseits könnte sich das ganze auf längere Sicht und das anders rechnen, wenn auf Basis dieser Daten Forschung, Entwicklung und Wirtschaftsleben angekurbelt werden.
Das sagt auch die Informatikerin Jo Walsh in einem lesenswerten Artikel im Directions Magazine, wo sie mit dem Status quo von INSPIRE scharf ins Gericht geht, und zugleich einen anderen Blick auf das Feld der Geodaten vorschlägt: Daten, mit denen wir unsere Welt beschreiben, sind ein öffentliches Gut, darum sollte ein Basisangebot dieser Daten immer frei und für alle Bürger verfügbar sein. Nur dann, wenn es um spezielle Daten oder besondere Formen der Aufbereitung geht, sei es gerechtfertigt, Gebühren dafür zu erheben; damit könne man die Kosten der Erstellung aber allemal amortisieren.
Ähnlich hat sich vor kurzem auch Schuyler Erle geäußert, neben Walsh einer der Autoren des Buchs Mapping Hacks: Geodaten sollte man betrachten wie das Straßenverkehrsnetz, sagt er. Die Hauptverbindungswege müssen auch allen bereitstehen, Maut wird nur für Straßen verlangt, die besonderen Anforderungen genügen.
Das ist ein wichtiges Argument, gerade in einer Zeit, wo die Privatisierung vieler Bereiche der Grundversorgung vorangetrieben wird, ohne Rücksicht darauf, ob der Markt die Versorgung von Grundbedürfnissen überhaupt dauerhaft sicherstellen kann und will.
Walsh hat übrigens auch die PublicGeodata-Plattform initiiert: Die Petition, die eine Revision des INSPIRE-Konzeptes fordert, kann dort eingesehen und unterzeichnet werden. PublicGeodata bietet außerdem ein Wiki, über das Diskussion und Austausch angeregt werden soll. Es wäre schön, wenn die Initiative von der europäischen GIS-Community angenommen wird.
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