Feltrinelli


Giangiacomo Feltrinelli
Vor ein paar Wochen gab es auf Arte eine Dokumentation über den „Verleger und Revolutionär“ Giangiacomo Feltrinelli, Gründer des gleichnamigen Verlagshauses und eine der schillerndsten Persönlichkeiten der italienischen Linken. Der Film lief sogar im Rahmen eines ganzen Themenabends zu Feltrinelli, den hatte Arte allerdings wohl nur deshalb eingerichtet, um den Doktor Schiwago abspielen zu können: Sonst gab es da nämlich keine weiteren Beiträge, und die Dokumentation selbst startete auch erst nach Mitternacht.

Aber die Programmierung der Themenabende bei Arte wäre ein Thema für sich. Der Dokumentarfilm war ganz interessant, vor allem dann, wenn es um Feltrinelli selbst ging. Es gibt kaum eine Person, in der sich die politische Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit Italiens so verkörpert hat, und das muss man makabrerweise ja auch wörtlich nehmen: Millionär und Revolutionär, erfolgreicher Verleger und überzeugter Kommunist, Bonvivant und Untergrundaktivist, und dann noch der Mann-der-das-Che-Guevara-Poster-erfand. 1972 tot aufgefunden, zerfetzt von zehn Stangen Dynamit, mit denen er scheinbar einen Hochspannungsmasten sprengen wollte. Bis heute wird über die Umstände seines Todes spekuliert, aber das ist eigentlich nichts Besonders in einem Land, in dem man erstens das Spekulieren liebt und zweitens auch genug verworrene und mysteriöse Geschichten findet.

Regisseur Alessandro Rossetto hat nun nicht wirklich versucht, die Rätsel und Widersprüchlichkeiten in Feltrinellis Biographie aufzulösen, es ging ihm wohl mehr darum, das Zeitkolorit zu erfassen, und das ist ihm zum Teil auch gelungen, nicht zuletzt dank des Zugriffs auf bisher ungezeigtes Material aus den Verlags-Archiven. Allerdings war der Preis dafür scheinbar, dass er die aktuelle Entwicklung des Konzerns nur zurückhaltend streifte: Feltrinelli ist inzwischen eine Buchhandelskette wie andere auch, vom hochfliegenden Anspruch des Gründers, die Läden zu einer Art Schaltzentrale zur Bildung der Massen werden zu lassen, bleibt mit jedem Jahr weniger übrig. Über die Wandlung und seine Folgen kann man sich in diesem Blog von Feltrinelli-Mitarbeitern ausgiebig informieren. Im Film kommt das nur beiläufig vor, zu mehr als ein paar atmosphärische Inszenierungen moderner Feltrinelli-Fillialen hatte Rossetto scheint’s nicht den Mut.

Um so seltsamer, dass der Film – der von Feltrinelli (bzw. der Tochterfirma Eskimosa) auch koproduziert wurde – nun in Italien offenbar nicht vertrieben werden soll. Es gibt da ein paar widersprüchliche Aussagen der Produktionsfirma – angeblich war man mit der Qualität nicht zufrieden, angeblich war der Film von vorn herein gar nicht für das italienische Publikum gedacht, angeblich ist er doch gut genug und man denkt gerade über einen Vertrieb nach -, es gibt aber vor allem die Verärgerung des Regisseurs (hier in einem Podcast der RAI).

Endstation Chiasso: Dass man bei Feltrinelli die Biographie des Patrons nicht mehr so gerne erzählt haben will, außer in selbst gedrechselten Hagiographien, ist schon bemerkenswert und sagt einiges über das politische Klima der Post-Berlusconi-Ära. Aber dass ausgerechnet ein Medienhaus versucht, mit so einer vorsintflutlichen Vertriebsblockaden seiner eigenen Geschichte zu entkommen, das ist auch reichlich bizarr. Und damit ist das dann doch wieder eine typisch italienische Geschichte.

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